http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0268
Jahren sich eines guten Rufes erfreute, zu einer beklagenswerten Beachtung
. . . Niemals kam es aber zum Verbrechen, das die Gegnerschaft durch die
Brutalität körperlicher Mißhandlung bis zur Bewußtlosigkeit verletzt. Was am
Freitag, den 20. Januar in der von der hiesigen Nazistenpartei durch ihre maskierten
SA-Horden im Dreikönigsaal unter der neuzeitlichen Strategie ,Saalschlacht
' in Szene gesetzt worden ist, gehört zu den barbarischen Sitten des
Hitlerschen .dritten Reiches' im Zeichen der sogenannten ,Hanauer'-Kultur.
Denn der Stab der braunen Soldateska hat seinen Sitz außerhalb der Amtshauptstadt
" (28. 1. 33).
Kritische Bemerkungen zum Reichstagsbrand
Am 30. 1. berief der Reichspräsident Hitler zum Reichskanzler. Nach der
Auflösung des Reichstags am 1. 2. wurden Neuwahlen auf den 5. 3. festgesetzt
. Die Nationalsozialisten zögerten nun keinen Tag, um von der ihr in den
Schoß gelegten Macht Gebrauch zu machen. „Um die noch zögernden Bürgerlichen
, vor allem aber Hindenburg selbst, für radikale Maßnahmen zu gewinnen
und Hitler als Retter erscheinen zu lassen, brauchte man das Argument
einer gefährlichen Bedrohung und mußte man nach dem roten Schreckgespenst
suchen, das sich an die Wand malen ließe."35 Zunächst wurde erreicht
, daß Hindenburg am 4. 2. eine Notverordnung erließ, welche die
Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit wesentlich einschränkte. Damit
er aber mit dem berüchtigten Art. 48 der Verfassung die Grundrechte außer
Kraft setzte, bedurfte es „stärkerer Mittel" als irgendwelche „Polizeimärchen
" über angebliche Umsturzpläne. Da kam der Reichstagsbrand am
Abend des 27. 2. wie gerufen: er vermochte ängstliche Gemüter zu entflammen
und gab den Nationalsozialisten die Handhabe, in der gleichen Nacht
noch über 4 000 kommunistische Funktionäre und Abgeordnete festzunehmen
; die Liste der Verhafteten hatte also bereits vorgelegen. Ebenso fix klappte
es mit einer weiteren und entscheidenden Notverordnung, die tags darauf
erlassen wurde und welche die Grundrechte bis zum Ende der Nazi-Herrschaft
beseitigte.
Angesichts des ungeheuren Wirbels, den die Nazis wegen des spektakulären
Reichstagsbrandes gegen die Kommunisten veranstalteten, ist es bemerkenswert
, daß es der „Alte" einen Tag vor der Reichstagswahl wagte, seine Zweifel
zu äußern: „Allen ehemaligen Reichstagsabgeordneten — der Blättle-
schreiber ist auch einer davon — ist es unbegreiflich, wie in dem herrlichen
Bau des deutschen Volkes solch ein herostratisches Verbrechen unbemerkt
vorbereitet werden konnte. Der Wallotbau wird ständig bewacht. Wie konnte
am Montag eine solche vielfache Brandlegung unbeachtet vorbereitet worden
sein! Und die kommunistische Parteileitung, welche kein Interesse an der Vernichtung
des Parlaments hat, worin sie zur Zeit eine große Machtstellung ausüben
darf, sollte solcher Wahnsinnstat fähig sein? Ein holländischer Abenteurer,
der schon in den verschiedenen Arbeiterparteien herumzigeunerte, will, mit ei-
266
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0268