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von Architekten nur wenige kommen, die eine Bauaufgabe wirklich meisterhaft
lösen können, hat der .Baumeister' wieder einen anderen Klang.
Bernhard Borst war gebürtiger Offenburger und ist, wenngleich seit 1896 bis
zu seinem Tode in München lebend, seiner Heimatstadt immer verbunden geblieben
. Für manches, was in seine späteren Häuser eingegangen ist, mag
Borst in Offenburg Beispiele gesehen haben, betrachtet man etwa die zahlreichen
kunstvollen schmiedeeisernen Gitter, die an den Borstei-Portalen Verwendung
gefunden haben. Die Sandsteinskulpturen, Kopien nach Arbeiten
aus dem spätbarocken Schloßgarten von Veitshöchheim, die Borst 1938 in einem
der Borstei-Gärten aufstellen ließ, spiegeln vielleicht einen Eindruck aus
den Anlagen des Offenburger Vinzentiushauses, deren offensichtlich unter
dem Eindruck Dietz'scher Gartenplastik um 1764 entstandenen Genrefiguren
den heiter-verspielten Geist der Gartenkunst des ausgehenden 18. Jahrhunderts
atmen.
In Offenburg verbrachte Borst teilweise seine Kindheit, hier war er am 23. 2.
1883 als Sohn des Joseph Borst und dessen Frau Anna, einer geborenen
Schwend, zur Welt gekommen. Der Vater hatte sich erst kurz zuvor hier niedergelassen
, wo er als Reisender der Zigarrenfabrik Janz geschäftlich zu tun
hatte. Die Mutter stammte aus der eingesessenen Familie des Maurermeisters
Joseph Schwend, dem das Domizil der jungen Familie, das Haus in der
Webergasse 19, gehörte.2
Joseph Borst betrieb hinter dem Gasthaus „Zum Kaiser", dem heutigen ,Bräu-
stüble' in der Lange Straße, einen kleinen Zigarrenladen, versuchte sich aber
später auch noch in anderen Geschäften. Das Wohnhaus der Familie, dieses
kleine unbedeutende Häuschen, sollte später noch eine wechselvolle Geschichte
erleben. Nach dem Wegzug der Borsts lebte dort zeitweise Karl Schwend, der
Bruder Annas.3 Im Jahre 1954 schenkte die Stadt Offenburg ihrem inzwischen
bedeutend gewordenen Sohn das Anwesen, worauf dieser das Häuschen abreißen
und in ähnlicher Form neu wiederaufbauen ließ, um es jeweils einem verdienten
Offenburger Künstler als kostenlose Wohnstätte mit Atelier zur Verfügung
zu stellen. 1955 zog der mit Borst befreundete Maler und Graphiker
Emil Brischle (1884—1966) dort ein. Brischle hatte in Berlin, München und
Paris studiert und arbeitete in seinen Stilleben zunächst unter dem Einfluß
der holländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Später griff er Anregungen des
Impressionismus auf und strebte, in unterschiedlichen Versuchen der Bewältigung
des Kolorismus, in den zwanziger Jahren den Anschluß an die Kunst seiner
Zeit zu schaffen. Offensichtlich gelang dies nicht. Während ihm die Literatur
der zwanziger Jahre noch eine gewisse Aufmerksamkeit schenkte,4 ist es
2 Ortenauer Rundschau vom 1. 4. 1933.
3 Dessen Sohn Joseph wiederum begründete die zunächst in Straßburg, später in Baden-Baden ansässige Firma
für Kaminformsteine .Schwendilator'.
4 W. Beringer, Badische Malerei. 1922, S. 214f.
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