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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0292
freundlich-heiterer „Rosengarten" gegenüber, der die sich öffnende Gartenkunst
des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Erinnerung ruft. Wieder an anderer
Stelle finden sich Reminiszenzen an den barocken Schloßpark. Die Ausgestaltung
der Gärten, die bei Fertigstellung der Siedlung noch lange nicht abgeschlossen
war, lag Borst besonders am Herzen. Er stellte Vasen und Skulpturen
auf, richtete Brunnen ein. Weder die Anlage von Nutzgärten, noch das
„soziale Grün" des genossenschaftlichen Siedlungsbaues der zwanziger Jahre
deckten sich mit Borsts Vorstellungen. Seine Gärten erscheinen wie öffentlich
zugänglich gemachte Privatgärten, in denen sich der biedermeierlich-intime
Staudengarten ebenso spiegelt wie der „giardino secreto" der venezianischen
Villa. Die Großzügigkeit der Grünanlagen und die Vermeidung von Hinterhöfen
konnten nur durch geringe Überbauung erreicht werden, die lediglich 20%
der Gesamtfläche ausmacht. Vier Fünftel der Anlage nehmen Wohnstraßen
und Gartenhöfe ein.

Da der private Bauherr Bernhard Borst stark mit öffentlichen Wohnungsbaugeldern
gefördert wurde, regte sich im Münchner Stadtrat bald Kritik an einer
Großzügigkeit und Solidität, die verhältnismäßig hohe Mieten nach sich zog
und den dringenden Bedarf an preiswerten Kleinwohnungen nicht verringern
half.

Das Material forderte seinen Preis: Ruhpoldinger Marmor und Kelheimer
Sandstein statt Betonguß, sorgfältig hergestellter Putz, die Hausnummern auf
Beinglas in Bronze gefaßt, die Namensschilder einheitlich in Messing ausgeführt
und immer wieder blankgeputzt von einer regen Hausverwaltung, an deren
Spitze Bernhard Borst als patriarchalischer Chef stand. Infrastrukturelle
Maßnahmen sollten die Identität des Bewohners mit seiner Siedlung entwickeln
helfen: Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergarten, eine Filiale der
Stadtbücherei), Ladengeschäfte mit einheitlicher, heute noch unveränderter
Schaufensterzone, sowie eine Zentralwäscherei als Serviceangebot mit sanfter
Pression, denn die Häuser hatten keine Waschküchen.

Wohnkultur, wie Borst sie verstand, fing bei der Mieterberatung in bezug auf
praktische und formschöne Wohnungseinrichtung an und endete bei Serenadenkonzerten
, die Borst auf eigene Rechnung für die Bewohner aufführen
ließ.

Borst war in hohem Maße darauf bedacht, zwischen seinen Mietern und ihrem
Wohnumfeld Identität herzustellen, aber nicht im Sinne eines Bruno Taut, der
gleichzeitig in Berlin-Britz die sozialreformerisch orientierte genossenschaftliche
„Hufeisen-Siedlung" verwirklichte.

Es ging Borst vielmehr darum, die Individualität des Wohnens im Einfamilienhaus
auf den wohnungstechnisch und ökonomisch zeitgemäßeren und vernünftigeren
mehrgeschossigen Siedlungsbau zu übertragen. Die Bevölkerungsgruppe
, die noch bis 1910 etwa das kleine „bürgerliche Einfamilien-

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