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Er untersagte seinen Mietern, Betten zum Lüften aus den Fenstern zu hängen,
damit die klare Ästhetik der Hausfassaden nicht gestört würde, und er untersagte
ihnen auch, Hakenkreuzfahnen aus den Fenstern zu hängen, weil er darüberhinaus
jegliche politische Manifestation und damit verbundene Auseinandersetzungen
haßte. Bei aller Verschiedenartigkeit der Beweggründe für dieses
Verbot, das ihn in die Schußlinie nationalsozialistischer Kritik brachte," kann
seine persönliche politische Integrität selbstverständlich nicht bezweifelt werden
.
Ganz im Sinne des Strebens, den guten Geschmack zu beeinflußen und einen
Beitrag zur Architekturdiskussion der Zeit zu liefern, war auch die Herausgabe
einer architektonischen Fachzeitschrift durch Bernhard Borst. Zwar arbeitete
er selber dort nicht mit, doch deren Redakteure haben wohl in seinem Sinne
gedacht und geschrieben.
Die „Baukunst" erschien von 1925 bis 1931 monatlich und wies bei ihren Autoren
zahlreiche Fachleute von überregionalem und internationalem Rang
auf, unter ihnen Frank Lloyd Wright, J. J. P. Oud, Henry Russel-Hitchcock
und Erich Mendelsohn. Borst ließ einen Teil der Auflage kostenlos an Bauschaffende
verteilen. Da verhältnismäßig wenig Werbung aufgenommen wurde
, war die Zeitschrift auf die Dauer ein erhebliches Verlustgeschäft, und
Borst ließ schließlich 1931 das Erscheinen der Monatshefte einstellen.
Betrachtet man die Stellung der „Borstei" im Siedlungsbau der zwanziger
Jahre zusammenfassend, so muß noch einmal an den zum Teil mit erbitterter
Polemik und erheblicher Schärfe ausgetragenen Richtungskampf zwischen
konservativ-traditioneller Bauweise und dem Neuen Bauen erinnert werden.
Aus beiden Lagern, darüber waren sich zeitgenössische Fachleute einig, konnte
gute Architektur erwachsen,12 aber es schienen die gegensätzlichen ideologischen
und baukünstlerischen Positionen kaum vereinbar. Flachdach, Zeilenbauweise
und industrielle Serienfertigung als Ausdruck einer egalitären
Gesellschaft markieren schlagwortartig die Positionen der einen, Steildach,
historisierende Zitate und vor allem die Hinwendung zur handwerklichen
Bauausführung die der anderen Richtung. In Bernhard Borsts Münchner
Siedlung finden in einer Art gemäßigten Moderne, oder besser ausgedrückt in
einem reformierten Konservativismus, Überlegungen beider Positionen Anwendung
. In die Literatur als „Münchner Weg" eingegangen,13 zeigt die Borstei
moderne Siedlungstechnik und effektive Grundrißstandartisierung in Verbindung
mit betont konservativer Wohnkultur.
Alles in allem blieb die Münchner Siedlung singulär, und es muß bezweifelt
werden, ob die Bebauung der Klosterwiese zwischen der Hindenburgstraße
11 MBM H. 99, S. 75; Münchner Post vom 6./7. 8. 1932; Völkischer Beobachter (München) vom 28. 2. 1933.
12 Wie z.B. W. Müller-Wulckow in den „Blauen Büchern" von 1929
13 Ausst.-Kat. Die Zwanziger Jahre in München, Münchner Stadtmuseum. München 1979, S. 385 ff.
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