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Auch diese Phase hängt eng mit der verfassungsgeschichtlich-soziologischen
Entwicklung zusammen. Die Doppelwahl von 1198 und der anschließende
Krieg zweier Rivalen um den Thron hatte einen erneuten Zerfall der Reichsgewalt
zur Folge. Die Herzogtümer hatten bereits seit langem Durchlöcherungen
und Verkleinerungen ihrer Gebiete und überhaupt Autoritätsverluste hinnehmen
müssen. Auch das Grafenamt war mehr und mehr ausgehöhlt worden.
All das war eine Folge der von der Forschung oft beschriebenen „Verherr-
schaftlichung", der „Territorialisierung", das heißt des Überwucherns der
öffentlichen Ämter durch lokale Gewalten, durch Hausmachten, durch eigenständige
, auf Erbgütern und -rechten gegründete Herrschaften. Es war eine
Weiterentwicklung der durch den Burgenbau des hohen Adels eingeleiteten
Emanzipationsbewegung der Aristokratie. Sie erfaßte nun auch die mittlere
und teilweise die untere Adelsschicht. Die nichtgräflichen Freiadligen und die
reicheren Ministerialen suchten sich aus der Gebundenheit zu lösen, betrieben
eigenen Herrschaftsausbau und trachteten nach politisch-rechtlicher Selbständigkeit
. Wiederum war der Burgenbau sichtbarer Ausdruck dieses Strebens
und mehr noch: gleichzeitig Sicherung und Stabilisierung des Erreichten, also
ein konstitutives Element der Adelsherrschaft.
So bedenklich vom Standpunkt des Königtums und der zentralen Gewalten
die Aufsplitterung der Machtausübung auf zahllose Herrschaftsträger war, so
brachte diese Entwicklung andererseits einen Aufschwung und eine Blüte des
Adels nicht nur in politischer, sondern auch in kultureller und geistiger Beziehung
hervor. Es war die große Zeit des deutschen Rittertums. Kultivierte Lebenshaltung
, ritterlicher Tugend- und Ehrenkodex, Pflege des Heldenlieds
und Minnegesangs, Freigebigkeit gegen die Kirche, Edelmut gegenüber den
Frauen und der Drang zu hohen Idealen und zur Vervollkommnung der Lebensformen
zeichnen das staufische Rittertum aus. Die Suche nach ausgeglichenen
, kraftvollen, in sich geschlossenen Formen schlug sich auch in der Architektur
des Burgenbaus dieser Zeit nieder. Die Burgbaukunst erreichte einen
hohen Stand. Die ritterlichen Bauherren und ihre Baumeister schufen die Architekturformen
, die man heute zusammenfassend als staufischen Burgenbau
bezeichnet und die das darstellen, was als der klassische Typ einer Ritterburg
angesehen wird.
II. Gestalt und Funktion
Die baugeschichtliche Forschung hat mehrere Versuche unternommen, bestimmte
Bautypen zu erkennen und voneinander abzugrenzen und so eine
Typologie der Burg zu entwerfen. Zu einer einheitlichen Auffassung kam sie
bisher nicht. Bekannt ist die durchgebildete und mit vielen Beispielen dargelegte
Gliederung von Karl Heinz Clasen (im Reallexikon der Deutschen
Kunstgeschichte). Er unterscheidet drei Haupttypen:
— die Ringburg, die gegen alle Richtungen gleich verteidigungsbereit ist,
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