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botenlosen großen Haushaltes und der ganzen erzieherischen und geschäftlichen
Verantwortung sei zu schwer für mich alleine, so gibt mir die Hoffnung
Kraft, mit dem Opfer des bescheidensten und treusten Vaters Leben verlängern
zu helfen. —
Unsre Kinder wachsen an Leib und Seele schön heran! Jedermann ehrt und
liebt sie und dies ist — gleich der Cornelia — mein Stolz und mein Reichtum! —
Unser Soldat, der Benjamin des Regimentes, ist sogar der Stolz seines Hauptmanns
; er setzt seinen Ehrgeiz darein, zu zeigen, daß der Sohn eines Sozialdemokraten
sich in der Disziplin und Pflichttreue nicht überbieten lasse. Er
kommt eben zum Osterurlaub aus der Kaserne, wo ihm der Hauptmann unter
vier Augen, ,als Mensch zum Menschen' wegen seiner militärischen Laufbahn
darzutun suchte, wie die Armee tüchtige Reserveoffiziere brauche, nicht solche
, die es sich leisten können, sondern die Etwas leisten'. — Es war wohl für
den Jungen und den Hauptmann eine gleich unbequeme Auseinandersetzung,
und daß der Junge unbeeinflußt von uns aufrecht blieb, freut mich. Jedenfalls
ist die sonst wohl undenkbare Auseinandersetzung zwischen preußischem
Hauptmann und Einjährigem, obwohl sie privaten Charakter trug, ehrend für
beide Teile. Der Hauptmann sah den Jungen in der Nachbarschaft aufwachsen
und bewahrte ihm bis heute Interesse und Sympathie. —
Was Marie Geck im Mutterstolz auch den Freundeskreis der Familie wissen
ließ, löste beträchtliche Unruhe aus: am 30. März mahnte August Bebel aus
Zürich: „Laßt um keinen Preis Euren Buben Offizier werden und wenn der
Hauptmann goldene Berge verspricht. Ein Offizier ohne Unterstützung von
Hause ist ein armer Teufel, der auf die Dauer eine unmögliche Stellung hat."6
Nach seinem Wunsch sollte Brandel die Parteischule in Berlin besuchen, um
sich dann als Redakteur an einer Parteizeitung zu bewerben. Rosa Luxemburg
, die an der Schule als Lehrerin tätig war, freute sich schon auf ihren
künftigen Schüler und war später bitter enttäuscht7, als Brandel sich für ein
Studium an der Universität in Gießen entschied, ein Entschluß, der wiederum
von Dr. Otto Walther begrüßt wurde.8
Marie Geck schloß ihren Brief:
„Nun habe ich mein Osterbekenntnis abgelegt und Ihnen wohl viel Zeit
geraubt! Ich will's so bald nicht wieder tun!
In alter Hochverehrung und Anhänglichkeit
grüßt Sie Frau Marie Geck
Eine unbescheidene Frage: Haben Sie in der Weihnachtszeit mein in der dort.
,Volkswacht' erschienenes Feuilleton über die Jugend Oberbürgermeister
.Winterer's' gelesen? Es dürfte Sie interessieren."
Marie Geck hatte um keine offene Stellungnahme gebeten, und Hansjakob
ging in seiner Antwort vom 30. März auch stillschweigend über ihr „Osterbe-
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