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120 alsus hat er gestritten
mit manheit und mit ritters kraft
mit eren in der heydenschaft,
wan er schluog inen mangen tot.
Mit Kraft und ritterlichem Geschick erstritt er sich großes Ansehen unter den Heiden.
Manche von ihnen erschlug er.
In der Textvariante d heißt es noch deutlicher:
. . . er . . . het erstritten
vil eren in der heidenschafft.
,Ere' ist ein Ergebnis kriegerischer Leistungen.
Man muß sich die Wirklichkeit vergegenwärtigen, von der diese Verse sprechen
, wenn man wissen will, was der Ausdruck ,ere ervehten'inhaltlich meint.
In ihrem Buch „Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert"19 hat
die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman ein anschauliches Bild
ritterlichen Lebens im europäischen Mittelalter nachgezeichnet.
„Tapferkeit war kein leeres Wort, denn in ihrer Funktion als Kämpfer
brauchten die Ritter Härte und Ausdauer. Mit einer dreißig Kilo wiegenden
Rüstung auf dem Pferderücken oder zu Fuß zu kämpfen, mit dem Gegner bei
vollem Galopp zusammenzustoßen, während man eine fast sechs Meter lange
Lanze im Arm hielt, mit Schwert oder Streitaxt Hiebe auszutauschen, die
einen Schädel spalten oder ein Glied abtrennen konnten, ein halbes Leben im
Sattel zu verbringen, bei jedem Wetter und häufig tagelang, das war nicht die
Arbeit eines Schwächlings. . . Tapferkeit war nicht billig zu erkaufen."20
Sie war es nicht in der Schlacht, sie war es auch nicht im Turnier:
835 sich hueb ein ritterlicher just:
vil manger wart uff sine brüst
gestossen, daz er balde viel,
daz im daz bluot zem mund us wiel.
Nun erhob sich ein ritterlicher Tjost: mancher wurde vom Speer gegen die Brust getroffen
, daß er niederstürzte und ihm das Blut aus dem Munde schoß.
Der Ritter von Staufenberg ist sich der steten Gefährdung ritterlichen Lebens
sehr wohl bewußt. Die Sorge für sein Seelenheil, sagt er zu seinem Knappen,
sei deshalb so dringend,
186 wan ich ze allen ziten veil
min leben trag und minen lip
durch ere und durch werde wip.
Jederzeit setze ich mein Leben aufs Spiel: sei es wegen meines ritterlichen Ansehens
oder wegen adeliger Damen.
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