http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0260
Aus der Geschichte der Renchmühlen zu Müllen
Heinz G. Huber
1. Vom Reibestein zur Getreidemühle — Zur Entwicklung der Mühle
Seit der Jungsteinzeit begannen die Menschen seßhaft zu werden, Häuser und
Dörfer zu errichten und im Familienverband zu leben. Nicht mehr die Jagd,
sondern der Ackerbau bildete die Hauptnahrungsquelle. In Süddeutschland
wurde zur Zeit der bandkeramischen Kultur um 5400—5000 v. Chr. zum ersten
Mal Getreide angebaut.1 Mit der Geschichte des Getreideanbaus beginnt auch
die Geschichte des Mahlens.
Der ursprüngliche Mahlvorgang bestand in reiner Handarbeit, die von Frauen
und Mädchen ausgeführt wurde. Auf flachen Steinen wurde mit einem dünneren,
rauheren Stein das Getreide, meist Weizen und Gerste, zerrieben.2 Durch
Verlängerung und Verflachung des Steines, der die Unterlage bildete, entstand
aus dem Reibestein die Reibepfanne. Die Auswölbung der Reibepfanne entwickelte
sich zum Mörser, das Getreide wurde jetzt mit einem Stößel zerstampft
. Dieses Verfahren hatte den Vorteil, daß die Kornschalen leichter
zerrissen wurden und sich anschließend leichter vom Mehl trennen ließen.3
Die Weiterentwicklung der Reibesteine und der Steinmörser waren die halbmechanischen
Handmühlen oder Quernen. In den trichterförmig ausgehöhlten
Unterstein wurde ein kegelförmiger und beweglicher Oberstein eingepaßt. Er
konnte durch einen Griff gedreht werden. Das Mahlgut wurde zwischen den
beiden Steinen zerkleinert und trat seitlich aus.
In römischer Zeit wurde die Handmühle zur vollmechanischen Mühle weiterentwickelt
. Einem kegelförmigen Bodenstein wurde ein drehbarer Läuferstein
aufgestülpt, der oben ausgehöhlt war. In die trichterförmige Aushöhlung wurde
das Getreide aufgeschüttet und gelangte durch eine Aushöhlung in den Zwischenraum
zwischen Boden- und Läuferstein. Bewegt wurde der Läuferstein
mit Hilfe von Tier- und Menschenkraft, später auch von Wasserkraft. Ein
Schaufelrad übertrug über eine Welle die Bewegung des Wassers auf ein
Kammrad; ein Zahnrad übertrug die Bewegung des Kammrades auf die vertikale
Ebene und trieb den Läuferstein an. Die Kombination von Läufer- und
Bodenstein, überbaut durch einen Trichter oder Trimmel, versehen mit einer
Holzverkleidung, der Zarge, bildete einen Mahlgang. Größere Mühlen hatten
mehrere Mahlgänge, oft auch mehrere Wasserräder. Von Italien aus drang die
Wassermühle in spätrömischer und frühmittelalterlicher Zeit nach Deutschland
vor. Die erste Wassermühle in Deutschland ist im Jahr 370 an einem
Nebenfluß der Mosel bezeugt.4 Ergänzt wurde die Mühle durch das Beutel-
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