http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0308
Die Zunft beantragte gegen das Schöffengerichtsurteil die Berufungsverhandlung
vor der Rekurskammer des Amtsgerichts Offenburg. Am 23. Mai 1874
beschloß das Gericht die „Wahrnehmung eines Augenscheins bei dem Kuhgrünkopf
am Rhein bei Altenheim" unter Vorladung der beiden Zeugen.
Über den Ausgang des Prozesses am 16. Juni 1874 liegen bei der Zunft keine
Unterlagen vor. Nach Rückfrage beim Amtsgericht Offenburg am 21. Sept.
1984 wurde mitgeteilt, daß die Akten der Strafprozesse nach 30 Jahren vernichtet
werden und damit keine Auskünfte von 1874 mehr möglich sind.
3. Die Fischerei am Oberrhein
Der Störfang
Wenn früher die Fischer am Rhein den Schwärmen ihrer sogenannten „Brotoder
Erwerbsfische" nachstellten, war stets die Hoffnung im Spiel, einen
ordentlichen Beifang zu machen. Zu diesen Fischen zählte der Stör. Er war
nach einer Urkunde von 1504 früher bei uns nicht selten. Noch in den siebziger
und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts „tauchten diese Überbleibsel
aus dem Erdmittelalter, die sich bis in die Jetztzeit hinübergerettet haben,
häufig in der Rheinmündung auf und nahmen ihren Weg. . . bis Basel."12
Der Stör gehört zur Ordnung der Schmelzschupper (Acipenser sturio). Sein
Skelett ist größtenteils knorpelig. Er vereint in sich die Merkmale der Knochenfische
und der Haie, hat jedoch keine Zähne. Der langgestreckte Körper
besitzt fünf Längsreihen großer Knochenschilder; auch der Kopf ist mit harten
Knochenplatten bedeckt. Diese Knochen tragen wie unsere Zähne einen Schmelzüberzug
. Daher der eigentümlich anmutende Ordnungsname „Schmelzschupper
". Der Stör besitzt eine stark verlängerte, schnabelförmige Schnauze mit
ausstülpbarem Saugmaul, hat vier kurze Bartfäden zum Ertasten der Nahrung
und kleine Augen. Die Schwanzflosse ist unsymmetrisch mit stark verlängertem
oberen Lappen. Die Weibchen sind größer als die Männchen. Ein 80 kg
schweres Weibchen kann 12 kg Kaviar liefern.
Die Familie der Störe umfaßt 26 verschiedene Arten. Einzelne Arten können
100 Jahre und älter werden. Sie leben als Wanderfische im Atlantik (bis zum
Schwarzen Meer, Asowschen Meer, Kaspischen Meer, Nordsee, Ostsee), an
den atlantischen Küsten und im stillen Ozean, speziell an der amerikanischen
Westküste. Das Kaspische Meer gilt als das störreichste der ganzen Welt. Der
Aufstieg in die Süßwasserströme erfolgte im Frühjahr. Infolge der
Tulla'schen Rheinkorrektion im vorigen Jahrhundert und der Rheinregulierung
in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts mit dem Abschneiden aller
Rheinwindungen, der Trockenlegung ausgedehnter Altrheingebiete, der
Wasserabsenkung und der Zusammenfassung des Wassers in dem gerade ge-
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