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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 398
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Kiefer hatte in seinem Auftreten etwas derart Selbstsicheres und Bestimmendes,
daß man sich über das große Vertrauen, das er zu Lebzeiten überall genoß,
nicht zu wundern brauchte. Selbst der Vorfall in Regensburg, der mit zum Teil
sehr giftigen Kommentaren durch die Presse ging, vermochte keinen Abtrag
zu bewirken. Auch sein persönlicher Umgang wirkte natürlich vertrauensfördernd
. So zählten zu seinem Bekanntenkreis Politiker in hohen und höchsten
Stellungen, die gelegentlich bei ihm in Kork zu Gast waren wie z.B. der damalige
Reichswirtschaftsminister und zeitweilige Reichskanzler Josef Wirth. Wie
groß, man kann fast sagen grenzenlos, dieses allgemeine Vertrauen war, dafür
mag ein Beispiel dienen: Die Rheinische Kreditbank in Kehl hatte beim Tod
von Kiefer einen Soll-Saldo auf dem Konto von rund 800000.— RM, ohne
Pfand, ohne Sicherheit, reiner Vertrauenskredit! Das Geld war natürlich
ebenso verloren wie alle anderen Forderungen.

Alle seine Aktiengesellschaften lösten sich in Nichts auf, Konkursverfahren
wurden mangels Masse abgelehnt. Lediglich bei der Likörfabrik Dolfi AG in
Kehl wurde noch einige Zeit die Rettung versucht, die aber mißlang. Gerade
die Arbeiter erhielten noch ihren Lohn, und auch einige Handwerker-
Rechnungen in Kork wurden wenigstens teilweise noch bezahlt. Dann war
alles aus. Hier konnte man sagen „wie gewonnen, so zerronnen". Alles aus,
bis auf das Nachspiel.

Dieses Nachspiel fand etwa Ende 1929 oder auch 1930 vor dem Landgericht
Offenburg statt mit zahlreichen Angeklagten, aber ohne den Kopf der ganzen
Sache. Er hatte sich der irdischen Gerichtsbarkeit entzogen. Angeklagt waren
u.a. fast alle Arbeiter der ehemaligen Essigfabrik Kork. Das Gericht dagegen
zeigte weitgehend Verständnis für die kleinen Sünder. Soweit ich mich entsinne,
wurden überall da, wo es überhaupt zu einer Verurteilung kam, Bewährungsfristen
zugestanden. Dies trifft meiner Erinnerung nach sogar für den Mann
zu, der die Essigfabrik in Kork geleitet hat. Bei einer Anzahl von Zollbeamten
dagegen sind echte Strafen verhängt worden.

So ist von Ernst Kiefer nichts geblieben als ein Grabstein auf dem Korker
Friedhof, der noch stehen wird, und die Erinnerung. Aus dieser meiner Jugenderinnerung
habe ich sein Lebensbild niedergeschrieben, weil ich es, man mag
moralisch darüber urteilen, wie man will, für wert halte, schriftlich festgelegt
und überliefert zu werden. Man kann es auch als ein Zeitbild jener zwanziger
Jahre ansehen.

Bisher ist meines Wissens eine solche schriftliche Darstellung nicht erfolgt.
Weil gar nicht mehr viele Menschen am Leben sind, die noch eine deutliche
Erinnerung an Ernst Kiefer und seine Zeit haben können, und auch ich selbst
meinem natürlichen Lebensende recht nahe komme, ist dies vielleicht die letzte
Gelegenheit, dem völligen Vergessen zuvorzukommen.

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