http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1987/0412
Die beiden Reichspräsidentenwahlen im Frühjahr 1932 lassen erkennen, daß
Hitler auch in Oberharmersbach bereits über einen treuen Wähleranhang verfügte
.40 Über zwei Drittel der Wähler bekannten sich zu Hindenburg, der jetzt
als republikanischer Kandidat gegen Hitler präsentiert wurde, aber Hitler hatte
trotzdem über ein Viertel der Stimmen für seine Kandidatur gewonnen. Die
1. Reichstagswahl des Jahres 1932 am 31. 7. ließ die NSDAP zur stärksten
Partei auf Reichsebene anwachsen (37, 2°7o). Eine Wahlbeteiligung, wie sie
seit der Wahl zur Nationalversammlung nicht mehr verzeichnet wurde, brachte
in Oberharmersbach vor allem die Zentrumswähler wieder an die Urnen, aber
auch die Nazis profierten von der hohen Wahlbeteiligung. Sie stabilisierten
ihren Wähleranteil bei 30,6% (Zella.H.: 11,5%, Unterharmersbach: 15,8%,
Nordrach: 32,7%).
Außer einer geringeren Wahlbeteiligung brachte die 2. Reichstagswahl im
November keine entscheidenden Veränderungen. Die liberalen Kräfte waren,
wie anderorts auch, zwischen der immer stärker werdenden Rechten und Linken
aufgerieben. Das Zentrum konnte seine deutlich geschmälerte Position
festigen. Daß man auf die arbeits- und handlungsunfähige Demokratie auch
in der Oberharmersbacher Arbeiterschaft kaum einen Pfifferling gab, dafür
zeugte das Abschneiden der SPD. Seit jeher durch die soziale Struktur des Ortes
immer etwas „schwach", mußte sie jetzt in der Novemberwahl, ihrem radikalen
Rivalen endgültig Tribut zollen. Die KPD erhielt 30 Stimmen.41
Die wirtschaftliche Krise, die mit über 6 Millionen Arbeitslosen im Winter
1932/33 ihren Höhepunkt erreicht hatte, schien mit den herkömmlichen Mitteln
der Notverordnungen nicht lösbar zu sein. Der Versuch, mit der Ernennung
Hitlers zum Reichskanzler diesen Mann durch eine entsprechende „Einrahmung
" in einem Kabinett in die Pflicht zu nehmen, sollte sich nur zu bald
als gewaltige Fehlspekulation erweisen.42
Die Auflösung des Reichstages und die Ausschreibung von Neuwahlen, der
Brand des Reichstages und die damit verbundene „Reichstagsbrandverordnung
" (mit weitgehender Aufhebung der Grundrechte) gab deutlich Hinweise
auf die tatsächliche Machtverteilung im „erwachenden" Deutschland. Der
permanente Ausnahmezustand ließ keinen regulären Wahlkampf mehr zu;
immer mehr sahen sich Sozialdemokratie, KPD und auch das Zentrum unter
Druck gesetzt. Gerade das Zentrum versuchte, mit seinem Vorsitzenden Pfarrer
Tröndle noch einmal die Wähler zu mobilisieren. Die so irregulär gewordene
Wahl vom 5. 3. 1933 brachte der NSDAP dennoch nicht den erhofften Erfolg.
Sie verpaßte die absolute Mehrheit; um diese zu erreichen, mußte sie eine Koalition
mit der DNVP schließen.
In Oberharmersbach gingen fast 80% zur Wahl. Jetzt zeigte sich, daß auch
die katholische Bevölkerung keineswegs immun war gegen die Töne, wie sie
der „böhmische Gefreite" anschlug. Die NSDAP erhielt mit 44,2% (im
412
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