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Jörg Sieger: Kardinal im Schatten der Revolution
. Der letzte Fürstbischof von Straßburg in
den Wirren der Französischen Revolution am
Oberrhein.
Mit einem Vorwort von Prof. Dr. R. Bäumer.
Mörstadt Verlag Kehl / Strasbourg / Basel
1986. (Reihe ,,Historische Zeitbilder".)
414 Seiten, 19 Abbildungen, DM 48,—
Der junge Louis de Rohan-Guemene (geb.
1734) erschien den Zeitgenossen als ein alle
bezaubernder Mensch, von feinstem Esprit,
,,la seduction incarnee": es war der Charme,
der ihm auch im Alter und Exil bis zum letzten
Tag eigen war, die glaubhaft belegte gewinnende
Freundlichkeit, die ihm gerade die einfachen
Leute, die Kinder gewann. Andererseits
war er ein glänzendes Nichts, ganz der schlechte
Kirchenfürst des Ancien Regime, eitel, pathologisch
maßlos in der Sucht, seine unermeßlichen
Einkünfte zu verschleudern, seit je ein
höchstbegabter Schuldenmacher. Er konnte
sich unglaublich töricht und leichtgläubig verhalten
, war aber auch gegen die Revolution,
festen Sinnes und nicht ohne Mut und Würde.
Trotz der Fälle der Zeugnisse ist er eigentümlich
schwer zu beurteilen. Wirklich schlecht
(„sittenlos") war er sicher nicht, eher naiv in
einem besonderen Sinne.
Richtig berühmt, zum Wetzstein der Lästerzungen
, als ihn die „luterischen und kezeri-
schen Zeitungsschreiber, als baßel, franckfurt
am mein, Ehrlang, augsburg, schaffhaußen,
karlißrue, alßo in der ganzen weit Verschreit
haben" (Machleid), wurde er dann durch jene
Affäre um das Halsband der Königin Marie
Antoinette, die 1785 die europäische Öffentlichkeit
erregte, Schlimmes vorbedeutete: auf
Goethe machte sie, wie er sich erinnert, „einen
unaussprechlichen Eindruck", seinen Freunden
sei er „wie wahnsinnig vorgekommen". Sein
Versuch, im „Großkophta" das Ereignis zu
gestalten, mißlang ihm.
Die neue, im Mörstadt Verlag Kehl erschienene
Biographie des „Cardinal Collier" schildert
die Vorgeschichte des Mannes aus bretonischer
Altadelsfamilie (der auch der Hugenottenführer
, der Herzog von Rohan, 1579—1638,
entstammt), seine Jahre als umstrittener Botschafter
am Wiener Hof (1772—74), wo er es
sich mit Maria Theresia verdarb, die glänzende
Zeit in Zabern und Versailles in der Nachfolge
seines Onkels als Fürstbischof von Straßburg
und vierter Rohan auf Arbogasts Stuhl (seit
1779, Kardinal seit 1778) und den Halsband-
Prozeß (1786). Eingehend verweilt dann die
Darstellung auf den revolutionären Vorgängen
(Renchtäler Unruhen) in seinem rechtsrheinischen
Gebiet, in das er sich 1790 zurückzog,
auf den politischen Verwicklungen, in die er
geriet, als sich die Emigrantengruppen 1791 bei
ihm einrichteten, als seine ihm treugebliebenen
Seminaristen und Priester aus dem Elsaß herüberkamen
, die den Zivileid verweigerten und
den Gegenbischof Brendel nicht anerkannten.
Es folgt die Dokumentation seiner späten, jetzt
auch ins Seelsorgerliche gewandelten Art,
seiner mehrfachen Flucht vor den Revolutionsheeren
(1796 nach Baden in der Schweiz, 1797,
1799—1801 nach Regensburg und St. Pölten)
und seines Ettenheimer Todes im Spätwinter
1803, als gerade nach dem Reichsdeputationshauptschluß
die frische badische Herrschaft in
Euenheim und Oberkirch sich installierte.
Das Buch ist die Druckausgabe einer 1984 unter
etwas abweichendem Titel eingereichten
Freiburger theologischen Dissertation („Louis
Rene Edouard, Prince de Rohan-Guemene.
Persönlichkeit und Wirken des letzten Straßburger
Fürstbischofs im Schatten der Französischen
Revolution"). Der Verfasser hat Rohans
„ungleiche Beziehung" zu Ettenheim zuerst
behandelt in der Festschrift zur 200-Jahrfeier
der Weihe der Ettenheimer Pfarrkirche („St.
Bartholomäus Ettenheim", München/Zürich
1982; vgl. die Besprechung in der Ortenau,
63/1983, S. 359 f.). — Die wissenschaftliche
Betreuung lag in der Hand des Freiburger Kirchenhistorikers
Remigius Bäumer, der für die
vorliegende Ausgabe ein einführendes Vorwort
geschrieben hat.
Der Verlag hat darauf verzichtet, den Text neu
setzen zu lassen und das allerdings vorzüglich
lesbare ältere Seitenbild in verkleinerter Reproduktion
übernommen. Nicht abgedruckt werden
konnte der umfangreiche dokumentarische
Anhang der Einreichungsexemplare, der in
drei, insgesamt neun Zentimeter starken Bänden
die buchstabengetreue Wiedergabe unveröffentlichter
Quellentexte enthält.
Es gab bisher zwar manche, in historischen
Zeitschriften und ortsgeschichtlicher Literatur
verstreute Aufsätze über den letzten Straßburger
Fürstbischof; in der „Ortenau" haben
J. Rest und E. Balzer schon Anfang der zwanziger
Jahre von ihm gehandelt, und 1975 hat
E. Dittler in dieser Zeitschrift das Treiben der
Emigrantentruppen vorgestellt. In Jörg Siegers
Arbeit liegt nun aber die aus umfassender
Kenntnis des Materials geschriebene, grundlegende
Monographie über Rohans Ettenheimer
Zeit vor. Dabei ist es des Autors erklärte
Absicht, neben dem Politiker dem Menschen
Rohan „gerechter werden zu können, als dies
bislang zu geschehen pflegte".
Er greift seine Aufgabe an in dem zügigen Fluß
einer Geschichtserzählung, in einem alle erreichbaren
Zeugnisse heranziehenden Nacheinander
. Eingeschmolzen ist darin die Fülle der
Aussagen vielfach unausgewerteter Aktenbe-
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