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Julius Allgeyer hat Carl Sandhaas 1853 im Haslacher Spital besucht. Dieser
Besuch, der auch Anlaß zur Abfassung seiner „Poetischen Bilder aus dem
Leben des Malers Carl Sandhaas" gewesen sein dürfte, hat Allgeyer ausführlich
beschrieben27. Eines geht aus seiner Niederschrift deutlich hervor
: Sandhaas war trotz seiner Armut, seines kärglichen Lebens und seiner
zeitweisen seelischen Verwirrung ein geistvoller Mensch geblieben, der
sich seines inneren Reichtums bewußt war, dessen einziges Unglück war,
von seiner Umwelt verkannt zu werden, der aber seine Vereinsammung mit
Stolz und Würde getragen hat. Allgeyer fand es beschämend, wie die Haslacher
Bürger Sandhaas behandelten. Er bezweifelte, ob der begabte Maler
wirklich „närrisch" und verrückt sei, wie ihn seine Umwelt einschätzte. Er
zitierte in seinen Aufzeichnungen Sandhaas mit folgenden bezeichnenden
Worten: „Nicht ich, sondern die Haslacher sind jetzt Narren geworden;
meine Narrheit liegt gegenwärtig lediglich in den zerrütteten Zuständen
meines Geldbeutels, sonst würde ich dem Neste einen Namen verschaffen
und es der Vergessenheit entreißen.. ."28 Er sei, so schreibt Allgeyer, wehmütig
von dem unglücklichen Maler geschieden und habe die deutliche Erkenntnis
gewonnen, daß Sandhaas „eine grenzenlos vereinsamte, aber
durchaus vornehme Künstlernatur" sei, die „ein Bild und Beispiel echter
moderner Tragik" darstelle. Zum Schutz vor den lästigen, weil im Grunde
doch immer teilnahmlosen Zudringlichkeit der Welt habe sich Sandhaas in
völlige Stummheit gehüllt. Es sei am Unverständnis seiner Umwelt, an den
allgemeinen Zuständen seiner Zeit als Künstler zugrunde gegangen29. Solche
Beobachtungen offenbaren ein tiefes psychologisches Einfühlungsvermögen
und soziales Verständnis in die ausweglose Lage des verfolgten
Künstlers — Erkenntnisse, die durch die moderne Sandhaas-Forschung bestätigt
werden30.
Reflexionen in den ,,Spitalblättern"
Im Haslacher Spital schrieb Carl Sandhaas eine Art Autobiographie, die er
selbst „Spitalblätter"31 nannte und die aus etwa hundert Blättern besteht.
In diesen Aufzeichnungen hat er sich mit seinem Leben und seiner Umwelt,
vor allem mit dem Unverständnis der Haslacher Bürger für ihn als Künstler,
auseinandergesetzt. So lesen wir in den „Spitalblättern": „Ich habe gelesen
in einem Zeitungsartikel, in dem ein preußischer Staatsmann sagt: Man
muß alles Gute, was uns die Zeit darbietet, zu benutzen suchen; denn sonst
straft die Zeit; jetzt seid Ihr gestraft wegen Unrechts, so ihr mir getan; und
weil Ihr das nicht gewollt, was Ihr hättet haben können, so müßt Ihr gar
nichts haben!"
Carl Sandhaas zeigt in seinen „Spitalblättern" die bemerkenswerte Gabe
der Selbstreflexion über sein schweres Schicksal, das er von seinen Mitbür-
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