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womöglich noch ausgeprägteren literarischen Neigungen seiner Gattin Sophia
Magdalena von Hüffel, auch nicht allein aus der Nähe seines Wohnsitzes
Neuhaus zu Nürnberg, es ergibt sich vor allem aus den Beziehungen
mehrerer Angehöriger der Gesamtfamilie von Crailsheim zu Sigmund von
Birken (1626—1681) in Nürnberg. Dieser konnte durch seine Beziehungen
zum kaiserlichen Hof in Wien, zu den Herzögen von Braunschweig-
Wolfenbüttel, zum Hof der Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth, durch
das ihm verliehene Pfalzgrafenamt, das ihm die Befugnis gab, uneheliche
Kinder zu legitimieren und den Dichterlorbeer zu verleihen, durch seine Eigenschaft
als Vorsitzender der Nürnberger Poetengesellschaft, der Pegnitzschäfer
, durch seine Freundschaft und Bekanntschaft mit wichtigen
Verlegern Nürnbergs und andernorts wie kein anderer Einfluß in gelehrten
und literarischen Angelegenheiten nehmen. Die veröffentlichten Tagebücher
von Birkens verzeichnen schon für das Jahr 1655 mehrfach Einnahmen
, die ihm von einem Herren von Crailsheim zugingen, ohne daß man
den Vornamen seines Schuldners und den Anlaß der Verschuldung erführe
.19 Einen Hinweis darauf erhält man durch einen Brief im Archiv des
Pegnitzordens, mit dem sich wieder ein Herr von Crailsheim mit Datum
vom 8. September 1659 an Sigmund von Birken in einer außerordentlich delikaten
Angelegenheit wandte.20 Das herzogliche Haus Württemberg, so
teilte der Schreiber mit, habe einen plötzlichen und schmerzlichen Trauerfall
zu beklagen. Der Sohn und Erbprinz des regierenden Herzogs Eberhard
III. sei auf der Reise, auf seiner Kavalierstour, in England verstorben.21 Er,
der Schreiber, sei diesem Prinzen in besonderer Weise verpflichtet: ,,und
hatt mich dieses Printzen Seel. versicherte gnadt, dahin gewiesen, gleich
wie ich sie vor allen andern Cavalliers in seinem Leben würcklich empfangen
, auch Ursach vor andern diesen großen Verlust zu beklagen . ..". Er habe
aus Stuttgart ein Schriftstück von der Hand der ältesten Schwester des
Verunglückten erhalten — es muß sich dem Folgenden nach um ein Trauergedicht
handeln — das er ihm, Sigmund von Birken, unter dem Siegel unbedingten
Stillschweigens anvertraute: „mitkommendes ist mihr in höchster
geheimnuß Von Stuggart Comunicirt worden ... So die Elteste als Freylein
Schwester Von dem Seel. Verstorbenen Printzen, soll gemacht haben".22
Der Schreiber bittet nun, daß von Birken ,,seiner bekandten Dexterität
nach" eine Replik in Versen auf das Gedicht der Prinzessin verfassen und
eine dafür geeignete Melodie komponieren lasse: „derentwegen denselben
freundlich ersuchent, die mühe zu nehmen, und eines gleich einer andwort
uff dieses, seiner bekandten Dexteritet nach zu Verfertigen ... dabey ersuchent
, die melodei dazu eigen machen zu lassen, doch das sie gar traurig
gehe".
Nun waren Aufträge für Gelegenheitsgedichte, zu Trauer- und Hochzeitsfällen
oder Geburten für Sigmund von Birken nichts Ungewöhnliches. In den
Tagebüchern verzeichnet er immer wieder namentlich Besteller, die aus al-
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