http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0413
Mit Aktenmaterial, das zwar beschlagnahmt, aber nicht in einem Prozeß
verwendet wurde, verfuhren die einzelnen Besatzungsmächte unterschiedlich
. Die Sowjetunion gab zwischen 1948 und 1950 Archivalien an die zuständigen
Archive ihrer Besatzungszone bzw. ab 1949 der DDR zurück.
Akten von Reichsbehörden, die bis 1945 noch nicht an das Reichsarchiv abgegeben
worden waren, führte sie zwischen 1953 und 1958 zurück. Nach
Aussagen von Vertretern des Deutschen Bundestags sollen sich aber weiterhin
Akten von Wehrmachts- und Zivildienststellen in den okkupierten Gebieten
der Sowjetunion in Moskau befinden, außerdem Akten von
Zentralbehörden, die sich auf die Besetzung beziehen, wie etwa solche des
Reichswirtschaftsministeriums und des Hauptamts Ordnungspolizei.10
Was die französische Besatzungsarmee betrifft, so sollen in ihre Hände nur
relativ wenige Bestände aus deutschen Dienststellen gefallen sein. Unter anderem
sind dies Teile der Akten des Militärbefehlshabers Frankreich und
von Kultur- und Propagandadienststellen, die heute im Pariser Nationalarchiv
aufbewahrt werden. Dort befinden sich heute auch Akten des Volksgerichtshofs
aus Verfahren gegen französische Bürger, die ursprünglich von
den Amerikanern beschlagnahmt worden waren. Einige Departementalar-
chive sind im Besitz von Beständen regionaler Dienststellen. Mit Informationen
über den Verbleib beschlagnahmter deutscher Akten hält die französische
Regierung ähnlich hinter den Berg wie die der Sowjetunion. Heinz
Boberach, ein hoher Beamter des Bundesarchivs Koblenz, berichtet über
seine eigenen Nachforschungen unter anderem: ,,Ob die französischen
Truppen, die südwestdeutsche Gebiete eroberten, und die Behörden in der
französischen Zone nach deren Räumung durch die US-Truppen noch deutsches
Schriftgut beschlagnahmt haben und wo dieses geblieben ist, war
nicht zu ermitteln; immerhin gibt es z.B. mehrere Zeugen, die Akten der
Koblenzer Gestapo nach Kriegsende beim französischen Geheimdienst gesehen
haben wollen."11
Briten und Amerikaner hatten bereits 1943 die gemeinsame Military Intelli-
gence Record Section (MIRS) gebildet, deren Aufgabe es war, feindliche
Akten auszuwerten, die ihnen in die Hände gefallen waren. Nach Kriegsende
wurde das gesamte beschlagnahmte Material im Ministerial Collecting
Center bei Kassel und in Document Centers bei Darmstadt gesammelt und
ausgewertet. Bestände, die für die Besatzungsbehörden uninteressant waren
, gaben sie an die zuständigen deutschen Behörden bzw. an das 1952 eröffnete
Bundesarchiv zurück. Das zentrale NSDAP-Schriftgut, vorwiegend
Mitgliederkarteien, wurde im Berlin Document Center (BDC) eingelagert
.12
Die Entstehung des BDC ist eine kennzeichnende Episode aus den letzten
Tagen der Naziherrschaft. Als sich die US-Army im April 1945 auf München
zubewegte, ging die SS hastig daran, Parteiunterlagen aus der Reichs-
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