http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0438
„Wo kein Gewissen mehr ist, hat alles keinen Wert mehr!"
Wilhelm Kasper aus Nußbach, ein fast vergessener Widerstandskämpfer
, wurde vor 100 Jahren geboren
Heinz G. Huber
Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt,
nicht auf dem Weg der Sünder geht,
nicht im Kreis der Spötter sitzt.
Ps. IJ
Bei einer Gedenkfeier des Kreisjugendrings in Kippenheim anläßlich des
50. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November hatten Jugendliche
die Möglichkeit, Zeitzeugen von damals zu befragen. Nichtjüdische
Augenzeugen wurden immer wieder mit den Fragen konfrontiert: Habt ihr
nicht gesehen, welche ungeheuerlichen Dinge um euch herum passiert
sind? Warum habt ihr nichts unternommen, als sie eure jüdischen Nachbarn
abholten? Warum habt ihr ihnen nicht geholfen, als die braunen Horden ihre
Wohnungen und Geschäfte verwüsteten? Die Antwort war einleuchtend:
Wäre nicht jeder, der eingegriffen hätte, selbst Opfer geworden? Aber was
wäre geschehen, wenn viele den Mut gehabt hätten? In allen Antworten
schwang ein Stück Scham mit über die eigene Ohnmacht, ein vages Gefühl,
auch durch Nichthandeln schuldig geworden zu sein.
In Nonnenweier wurden am 22. 10. 1940 die verbliebenen Juden des Dorfes
auf Leiterwagen verfrachtet, um nach Gurs deportiert zu werden. Kinder
auf dem Heimweg vom Kindergarten wurden Augenzeugen des gewaltsamen
Abtransports und rannten weinend nach Hause, um ihre Eltern zu Hilfe
zu holen. Die Eltern machten betretene Gesichter und gaben zur Antwort:
,,Wir können nichts tun!"1 Niemand wird ihnen deswegen heute einen Vorwurf
machen. Aber Menschen mit skrupulösem Gewissen wie der Schriftsteller
Reinhold Schneider haben ihre eigene Ohnmacht stets als Versagen
empfunden: ,,Am Tag des Synagogensturms hätte die Kirche schwesterlich
neben der Synagoge erscheinen müssen. Es ist aber entscheidend, daß das
nicht geschah. Aber was tat ich selbst? Als ich von den Bränden, Plünderungen
, Greueln hörte, verschloß ich mich in meinem Arbeitszimmer, zu
feige, um mich den Geschehnissen zu stellen und etwas zu sagen."2
In einer Zeit des Terrors und der Barbarei, der Perversion aller Werte gab
es freilich auch jene Gerechten, deren Gewissen nicht verstummte. Im
438
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1990/0438