http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0100
Es scheint, daß Gertrud Beziehungen nicht nur zu den Franziskanern, sondern
auch zu den Dominikanern pflegte. Die Ziele und Ideale der Franziskaner
und Dominikaner waren einander so ähnlich, daß die Beginen in der
ersten Zeit mitunter bei beiden Orden ihre religiöse Anleitung suchten"7".
Besonders das Verhältnis zu den Dominikanern ist in der Offenburger Situation
nicht erstaunlich, weil ja das Dominikanerinnenkloster von Straßburg
aus betreut wurde. Wenn man annimmt, daß die Gemeinschaft aus von
den Dominikanern nicht mehr aufgenommenen Frauengruppen entstanden
ist und also schon länger existierte, so ist eine Orientierung am Marienkloster
und eine Beziehung zu seinen Seelsorgern besonders naheliegend.
Gertrud pflegte Beziehungen zu den Straßburger Ciarissen auf dem Roßmarkt
(f. 214r/30) und tatsächlich auch zum Offenburger Marienkloster.
Auch solche Beziehungen waren nicht ungewöhnlich"8.
Es ist möglich, daß Gertrud Meister Eckhart, dessen Gedankengut und
vielleicht die eine oder andere Predigt in die Vita mit eingeflossen sind"9,
nicht erst in Straßburg kennengelernt hat, sondern schon im Offenburger
Dominikanerinnenkloster. Auch einige Formulierungen in f. 231r/29—231v /
14 führen mit großer Wahrscheinlichkeit auf ihn zurück.
Vielleicht ist er sogar einer der in GvO nicht namentlich genannten Lesemeister
. Eckhart hielt sich spätestens seit dem Frühjahr 1314 in Straßburg
auf, wo er als Vikar die Schwesternklöster der Nationen Alsatia und Suevia
beaufsichtigte und visitierte, seine Anwesenheit in Katharinental und Öten-
bach ist durch Notizen in den Nonnenviten dieser Klöster bezeugt. Nach
Unterlinden etwa kam er als Beichtvater, Seelsorger und Visitator. Er
scheint daneben auch Funktionen ausgeübt zu haben, die in die rechtliche
und organisatorische Struktur der Konvente eingriffen. Und es steht fest,
daß er in vielen Frauenklöstern auch predigte.120
Wirtschaftsgemeinschaft mit den Brüdern?
Daß enge wirtschaftliche Verflechtungen, wie sie für Straßburg121 und
Basel122 nachgewiesen sind — Patschkovsky (S. 86) spricht von einer untrennbaren
Einheit' beider Gruppen in dieser Hinsicht —, auch zwischen
den Offenburger Franziskanern und der Beginengemeinschaft bestanden, ist
wahrscheinlich, besonders da solche Bindungen den Beginen gegenüber ja
auch als ein Instrument der Kontrolle dienten. Unser Text läßt über die Intensität
dieser Verflechtungen in Offenburg allerdings nur Vermutungen zu.
Einen Hinweis auf die für die Symbiose zwischen den beiden Gemeinschaften
charakteristischen Häuserleihen und den Kreislauf von testamentarisch
an die Brüder vermachten Häusern mit unverzüglicher Rückverlehnung auf
Lebenszeit an die Spenderin (und nach deren Tod an andere Beginen) gibt
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