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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 254
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0254
Schilling führt aus: Viele starben an den Belastungen der Reise, schwere
Seuchen hatten viele Familien völlig ausgelöscht, ohne Erben zu hinterlassen
, andere wurden geteilt, (entweder wurde der Mann oder die Frau hinweggerafft
), andere waren enttäuscht, wanderten weiter und suchten ihr
Glück in anderen Siedlungen. An ihrer Stelle kamen andere Siedler aus
Deutschland, die überwiegend Verwandte oder Freunde der ersten Siedler
waren. Viele wiederum waren aus früheren deutschen Gemeinden umgesiedelt
. Daher war die Bevölkerung in den ersten Jahren nicht beständig. Als
man 1800—1829 Kataster anlegte, erscheinen Namen, die auf der Liste von
1788 noch nicht verzeichnet sind. Viele Familien sind eben durch Seuchen
total ausgelöscht worden, ohne männliche Erben zu hinterlassen, andere
hatten keine männlichen Nachkommen, andere waren weitergezogen und
durch andere Siedler ersetzt worden.10

Als im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Pfarrer sich die Mühe machte,
die ehemaligen Ansiedler nach ihren Ursprungsgemeinden zu befragen,
konnten sehr viele keine Angaben machen. Die Heimat war bereits vergessen
. Die älteren Auswanderer waren schon gestorben, die als Kinder in die
neue Heimat gekommen waren, hatten keine Erinnerung mehr, die dort Geborenen
wußten ohnedies nichts mehr vom Ursprungsland, sie konnten nur
angeben: „aus Deutschland, aus dem Reich". Daher ist es nicht verwunderlich
, wenn die meisten der heutigen Donauschwaben, auch die „Heimkehrer
", keine Ahnung mehr haben, woher ihre Vorfahren einstens kamen.

Viele Einwanderer waren zu früh gekommen. Der Staat hatte die Vorkehrungen
zur Aufnahme noch nicht getroffen. So mußten die Ankommenden
in ganz primitiven Auffanglagern kampieren. Ein Brief eines Hofweierer
Auswanderers, der anscheinend der Sprecher seines Lagers war, Georg
Hermann, ausgewandert 1786, schrieb einen rührenden Brief, der allerdings
von der staatlichen Stelle aufgegriffen und zurückbehalten worden war, da
er für die Werber hinderlich gewesen wäre. An wen der Brief gerichtet war,
läßt sich nicht mehr feststellen, auch nicht dessen Wohnort. Er lautet:

..Gelobt sei Jesus Christus! Mein geliebter Vetter Leegerf?), ich griesse Euch alle und sage
euch, es ist nid geschehen, was uns in Wien beim Herrn Kümfarn(?) versprochen Worten
ist, dann wir liegen in Földwar und wir wissen nicht, was mir bekummen sollen. Mein lieber
Vetter, mir verzehre unser bissle gelt, wann mir noch lange hier misse liegen! Es bekumet
ein Kind unter 10 Jahren des Tags 2 Kreizer, die anderen 3 Kreizer und das gleine wie das
große muß alle Nacht ein Kreizer Schlafgelt geben und mir misse auf den Laten liegen und
haben kein Stroh, daß mir nur darauf kinnen liegen und mir missen auch noch 2 Meil Weg
weid gen, wann mir es wollen, dieses gelt. Lieber Vetter, wirt geschehen, wie mir miteinander
gereth haben? Ich verlasse mich darauf. Mir seint nicht in Fünfkirchen kumen, wie es
uns versprochen worten ist. Den 21. Brachmonat haben mir alle missen nach Kimling (Köm-
löd) und ein jeter ein Tag verbringen, Frucht zu holen, wie mir nauf kumen, so haben mir
kein Frucht und kein Gelt bekumen. So wertn mir für Narren gehalten. Ich verhoffe aber,
wann wir es von Kümfarn oder von ihre Meiesteth schriftlich bekumen kinnen und was mir
in gelt oder auch in Gut und Vieh und in Geschirr bekumen sollen. Lieber Vetter, wan es
kann sein, so schicke es uns schriftlich alles, was mir bekumen, was uns versprochen ist

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