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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 321
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0321
Bei der Beschäftigung mit dem Dorf begab sich mancher Heimathistoriker
auf die Suche nach den Ursprüngen traditioneller Werte. Der geschichtliche
Prozeß, der die Menschen aus der Natur heraustreten heißt, wird dabei aber
durch eine immense Verschmelzungssehnsucht rückgängig zu machen
versucht2. Nach dem gängigen Wortgebrauch bedeutet Ursprung einen Anfang
, der eine Erklärung bietet; schlimmer noch: einen Anfang, der hinreichend
erklärt. Geschichtliche Erscheinungen können aber immer nur im
Rahmen der Untersuchung ihres Zeitpunktes befriedigend erklärt werden.

Aber auch der umgekehrte Versuch wurde unternommen: Noch nicht lange
ist es her, daß Modernisierungstheoretiker das Dorf als ein von der Geschichte
überholtes soziales Modell betrachteten und die „unzeitgemäße"
Mentalität seiner Bewohner quasi als entwicklungshemmenden Faktor in
Rechnung stellten3.

Aber was wissen wir schon über die dörfliche Lebenswelt des 19. Jahrhunderts
?

Eckhard Frahms Feststellung bringt die Angelegenheit auf den Punkt: Wir
wissen, im Gegensatz zur Stadt, über das Dorf noch weniger als die Auswanderer
im 19. Jahrhundert über Amerika4. Im Umgang mit dem Dorf
und seinen Bewohnern tut sich die Wissenschaft schwer. Sie habe ähnliche
Schwierigkeiten wie Archäologen mit dem antiken Troja: Jede Gruppe, jede
Generation „schreibt und ritzt, radiert und überschreibt auf derselben Fläche
ihre ewig neue Geschichte"5.

Die Dorfgeschichtsschreibung konnte sich in den letzten Jahren vom dominierenden
Einfluß der Wirtschaftsgeschichte lösen; ein Erfolg, der hauptsächlich
Alltagshistorikern zu verdanken ist. Ihre Kritik läßt sich auf ein
allgemeines Unbehagen über die ausschließliche Betrachtung objektiver
Aspekte des menschlichen Zusammenlebens innerhalb der Geschichtswissenschaft
zurückführen.6

Mit dem Zugriff auf den subjektiven Aspekt tritt bei neueren, alltagsgeschichtlichen
Arbeiten die bisher vernachlässigte Welt der „Wahrnehmungen
und Selbstdeutungen" der von der Geschichte Betroffenen in den
Vordergrund. Der Neuorientierung gingen allerdings entscheidende Anstöße
von außen voraus, allen voran die Volkskultur- und Mentalitätsforschung.
Sie schärfte den Blick für die Eigenständigkeit und Andersartigkeit der Kultur
einfacher Leute und vermittelte der historischen Forschung neue Perspektiven
.7

Kultur läßt sich in diesem Zusammenhang nicht als eine geistige, von der
materiellen Reproduktion abgehobene Dimension des Lebens verstehen.
Sie schließt die besondere und bestimmte Lebensweise einer Gruppe, eines
Standes oder einer Klasse, als auch die Werte, Ideen und Bedeutungen, wie
sie in Sitten und Gebräuchen, in der Glaubenswelt, sowie in den gesellschaftlichen
Beziehungen und Institutionen verkörpert sind, mit ein.8

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