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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 419
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liches Bild für die Jungfräulichkeit der Braut des Hohenliedes.20 An das
Geländer lehnen sich die drei Ehemänner von Anna und die ihrer Töchter.
Hinter Anna sieht man den bärtigen, mit einem Turban versehenen apokry-
phischen Vater Mariens, Joachim, den zweiten Ehemann Annas und Bruder
Joachims, Cleopas, und Salomas, den dritten Ehemann Annas.
Hinter Maria steht Joseph, links hinter Maria Salomas ihr Gemahl Zebe-
däus und rechts neben Maria Cleopas ihr Gemahl Alphäus.2'
Die drei Töchter Annas lesen das Alte Testament, welches das Buch der
Propheten mit der Messiasverkündigung enthält.22 Die hl. Anna schenkt
dem Jesuskind einen Apfel, Symbol der Erbsünde. Maria wurde so die
„neue Eva".23 Die zwei Schwestern Mariens reichen jeweils ihren zum
Märtyrertum berufenen Söhnen auch einen Apfel; rechts vergnügen sich die
vier Knaben der Maria Cleopas: Barnabas, Simon, Thaddäus, Jakobus d.
J., dieser zuletzt Erwähnte ist der spätere Märtyrer. Zwei seiner Brüder interessieren
sich schon für die Hl. Schrift, zum Zeichen ihres späteren Apo-
stolats, während der dritte traditionsgemäß mit einem Spielzeug, einem
Steckenpferd, auftritt (einem Symbol für den ,,miles christianns"?). Zu den
Füßen Maria Salomas, links, ergreift ihr Sohn Jakobus der Ä. auch einen
Apfel, während Johannes Baptist, sein Bruder, nicht mehr sichtbar ist (außer
einer Ecke seines roten Kleidungsstückes), weil hier der Schnitt verlief.
Im Bild hätte er wohl, der ikonographischen Überlieferung nach, das mystische
Lamm tragen müssen.

Der gleiche Renaissance-Sinn für Harmonie, den man im Sippen-Retabel
(Abb. 3) von Riemenschneider beobachten kann, charakterisierte auch die
Komposition des Nesselrieder Bildes (Abb. 4). Die Worte von Winzinger
über den Sippen-Retabel lassen sich auch für das Nesselrieder Bild verwenden
, das ,,durch Symmetrie und ein pythagoräisches Wissen regiert ist".24
Wie auch Riemenschneider war der Lautenbacher Maler an den Mittelrhein
von Auftraggebern gerufen worden.25 Riemenschneider seinerseits war
vielleicht im Elsaß gewesen.26 Sowieso verbreiteten Einzelblätter, Holzschnitte
, Zeichnungen von Musterbüchern die Bildmodelle. Der Lautenbacher
Maler übernimmt jedenfalls nicht getreulich das Schema von
Riemenschneider27, doch organisiert er die Oberfläche durch eine Serie
von Drei- und Vierecken, die sich überschneiden. Die Linie des Steckenpferdchens
bestimmt eine ganze Serie von Parallelen, nach denen sich die
Figuren gliedern. Ja, sogar eine besonders sichtbare Falte von Annas Kleid
ist eine dieser Parallelen. Gegenläufig bildet sich wiederrum eine Serie von
Parallelen, bestimmt durch die Tangente, die links an der Marienfigur entlangläuft
. Alle Linien überschneiden sich an Punkten, die auf den Horizontalen
der Bank und des Geländers liegen. Die schlichte dorische Säule
diente als Mittellot und Stütze der rechten und linken jetzt abgeschnittenen
Arkaden, von denen man übriggebliebene Fragmente noch in den oberen

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