http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1991/0493
Wenn 's nicht gebrannt hätte.
Durch die beiden Großbrände wurden wesentliche Teile des historischen
Zells vernichtet. Da man dann aber beim Wiederaufbau „modern" vorging,
kam es, daß ganze Straßenzüge in der Bauweise jener damaligen „Gegenwart
" entstanden und unsere Stadt dabei geradezu ein „Musterbeispiel für
Jugendstil" geworden ist.
Oft wird heute gefragt, wie's wäre, wenn es 1899 und 1904 nicht gebrannt
hätte? Die Antwort hängt von der persönlichen Einstellung ab!
Hätte es nicht gebrannt, dann stünden in der Unterstadt, an deren Nordseite
die alten — wahrscheinlich renovierten — Fachwerkhäuser wie auf der
Gegenseite und ebenso die alten Gebäude der Nord- und Südseite in der
Oberstadt.
Die Zeller Hauptstraße böte etwa das Bild der Gengenbacher Innenstadt und
würde den, der Freude an solchen Ortsbildern hat, begeistern.
Weil an Stelle alter Gebäude in Fachwerk moderne Jugendstilhäuser errichtet
wurden, muß sich der heutige Betrachter klar darüber sein, daß er es mit
einem Baustil zu tun hat, bei dem Formschönheit wichtiger war als innere
Wahrheit.
Um was es geht, zeigt ein Blick vom Rathaus aus zur gegenüberliegenden
„Krone", einer „anderen Welt". Vielleicht aber sind gerade diese Gegensätze
für manchen von besonderem Reiz. Die gestellte „Gewissensfrage",
was „schöner" sei, alte Bürgerhäuser (Fachwerk) oder „moderne" Jugendstilhäuser
, kann also nur aus persönlicher Sicht beantwortet werden.
Der Wert des ,,Zeller Jugendstils" aber liegt heute darin, daß er uns eine
Bauepoche auf größeren Straßenstrecken vorführt und erleben läßt!
Anmerkungen
1 Keramik-Ausstellungsführer, 1989, Iris Baumgärtner (S. 14).
2 Feuer! Schwarzwälder Post, 21.7. 1904.
3 Der Stadtbrand von 1904, Bildstein-Aufsatz 1990, Zapf-Bonath.
4 Der Stadtbrand von 1899, Schwarzwälder Post, 20.4. 1899.
5 „Gäggiliszüges" = Gäggilis-Zeug: Gäggilig = kindisch, tändeln (nach: ..Unsere
Mundart" Schmiden Kussi, Kopp).
6 „Graddel" = Einbildung (nach: ,.Unsere Mundart"). Nach H. Baum „Alemannisches
Taschenwörterbuch": „Grattel": Hochmut. „Grattel" soll — wie viele andere Ausdrücke
— aus dem Französischen stammen. „Gratteler" = Metall, Marmor, putzen,
polieren, also „angeben", mehr scheinen.
7 Die Zeller Jugendstilhäuser, Schwarzwälder Post, 15.2.91, F. K.
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