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,,Der Rüstungswahnsinn und seine Folgen"
So lautete das Thema einer Protestversammlung der Offenburger Sozialdemokraten
am 14.4. 1913 in der Michelhalle, nachdem am 29. 3. die Regierung
die neue Heeresvorlage veröffentlicht hatte, die mit 1,29 Milliarden
Mark finanziert werden mußte. Vergebens beschworen deutsche und französische
Parlamentarier auf der von Ludwig Frank initiierten Berner Verständigungskonferenz
im Mai 1913 den Friedenswillen beider Nationen. Im
April 1914 traf man sich erneut in Basel, am L. August nimmt das Verhängnis
seinen Lauf. In den Tagen der Mobilmachung und Kriegserklärung wurden
zu dem in Garnison befindlichen Inf. Rgt. Nr. 170 und einer
Maschinengewehrabteilung zahlreiche weitere Truppenteile einquartiert, so
daß die Stadt mit den eintreffenden Militärpflichtigen zeitweise mit etwa
11—14000 Soldaten belegt war. Davon mußten viele Monate lang über
10000 in Privatquartieren untergebracht werden. Mit Verkündigung des
Kriegszustandes übernahm die Militärbehörde die Organisation dieser Einquartierungen
, die bisher stets in den Händen der Stadt gelegen hatte. Da
ihr aber die notwendige Kenntnis der örtlichen Verhältnisse fehlte, ergaben
sich sehr bald unhaltbare Zustände, so daß sie dringend die Stadtverwaltung
bat, das Einquartierungsgeschäft wieder zu übernehmen. Diese bildete eine
Einquartierungskommission, die von Rechtsanwalt Dr. Veit und Georg
Monsch geleitet wurde. Von der Übernahme dieses überaus schwierigen
Geschäftes bis Kriegsende, bei dem auch Tausende von Wünschen und Beschwerden
berücksichtigt und bearbeitet werden mußten, führte Monsch
das Protokoll und eine Chronik aller Vorkommnisse.
1. Mai 1916: Vision und Gedanken am Arbeiterweltfeiertag
Mit den wachsenden Erfahrungen, die er im Kriegsalltag besonders im täglichen
Umgang mit den Mitbürgern und Frontsoldaten gewann, wuchs auch
die Schärfe seiner Gesellschaftskritik. Was er an Not und Elend erfuhr und
erlebte, konnte und wollte er als humaner Sozialist nicht einfach als Schicksalsschlag
hinnehmen, sondern zwang ihn zum Nachdenken, wie es zu dieser
Katastrophe für die Völker kommen konnte. Obwohl man annehmen
könnte, daß ihn die Arbeit als Vorsitzender der Einquartierungskommission
und anderer Tätigkeiten erdrückte, nahm er sich noch die Zeit, seine gewonnenen
Einsichten schriftlich zu verarbeiten. So legte er zum 1. Mai 1916
in einem größeren Manuskript ,,Ein Maientraum'" seine ,,Vision und Gedanken
am Arbeiterweltfeiertag" nieder. Auch wenn er es vom 1. Mai datierte
, zeigen Inhalt und Abfassung, auch Korrekturen, daß es die Frucht
einer längeren Arbeit war.
Monsch, der 1889 in Paris erlebt hatte, wie auf dem internationalen Arbeiterkongreß
beschlossen wurde, künftig den 1. Mai zum internationalen De-
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