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der Tat haben Dinters Romane dem völkischen Radikalismus in seiner antisemitischen
Spielart in bedeutendem Umfange Mentalitäten erschlossen;
die beiden amerikanischen Historiker Rodler F. Morris und Kenneth P. Wil-
cox sehen in Dinter gar den meistgelesenen völkischen Publizisten der Jahre
1918 bis 1923.
In Dinter fand die Botschaft Chamberlains12 einen ,,doppelten" Adressaten
: den neugewonnenen Rassefanatiker wie den enttäuschten Christen von
einst, dem seine alte Religion, nunmehr von ihren jüdisch-alttestamentarischen
Wurzeln abgetrennt13, wieder zum religiösen Fundament zu werden
begann. Rasse und Religion, Religion durch die Rasse: die neue
Geltung dieser sich gegenseitig bedingenden irrational-mythischen Begrifflichkeiten
kommt schon im Titel von Dinters erfolgreichstem Roman zum
Ausdruck: wie die Sünde für Religion, so steht Blut für Rasse. Dinters
schriftstellerische Entwicklung geriet nun vollends in die Schwerkraft
dieser Kategorien.
Schon im Weltkrieg hatte Dinter mit der Ausarbeitung seines „Geistchristentums
" begonnen, indem er „Neuplatonismus, Okkultismus und ein von
jüdischen Elementen gereinigtes Christentum mit Chamberlains Rassenlehre
vermischte".14 In ihm erblickte er den „Schlüssel... zur Lösung aller
Widersprüche zwischen Glauben und Wissen, zur Überbrückung der Gegensätze
und Unterschiede der Religionen aller Zeiten und Völker, zur Aussöhnung
und Vereinigung der verschiedenen christlichen Bekenntnisse zu
einer einzigen Religion auf der Grundlage der reinen unverfälschten Lehre
des Heilandes, wie sie in dem Neuen Testamente zum Ausdruck kommt".15
Den Kosmos stellt sich das ,,Geistchristentum" als „eine Reihe von Gott
ausgehender konzentrischer Kreise vor. Die aus einem Urgeist hervorgegangenen
,Geister', die auf allen Kreisen existieren, haben die Aufgabe, sich
im Verlauf ständiger Wiedergeburten durch die Entsagung von allem materialistischen
und sinnlichen Vergnügen zu veredeln.16 Diese Veredlung ermöglicht
ihnen, Gott näherzukommen. Die auf Erden befindlichen Geister
dürfen die Körper selber wählen, in denen sie wiedergeboren werden. Die
Gott nächsten Geister wählen arische Körper, die von Gott am weitesten
entfernten Geister erscheinen als Juden. Die Juden, Agenten des Teufels,
sind darauf aus, die Arier von der Veredlung wegzulocken. Jesus, ein arischer
Held, war demnach der erste Prophet des Geistchristentums, aber die
Juden haben seine Botschaft korrumpiert. Martin Luther versuchte, die jüdische
Verdrehung der Lehre Christi zu korrigieren, aber nur mit halbem
Erfolg. Nun muß die Reformation vollendet und die reine Lehre Christi
wiederhergestellt werden".17
Lehre und Programm dieses „Geistchristentums" auszubreiten, hat Dinter
auch in seiner Romantrilogie unternommen. Insbesondere „Die Sünde wider
den Geist" versteht sich explizit als Beitrag zu „Geistlehre" und
„Geistchristentum". Daß deren abstruse Gedankengänge nicht längst Allgemeingut
sind, hat für ihren Autor mit dem „Einfluß einer gewissen jüdi-
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