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ringische Güter" den Weg auf den badischen Markt fanden. Desweiteren
war eine 50 km tiefe entmilitarisierte Zone entstanden, die fast das ganze
Land, hauptsächlich die wirtschaftlich stärkeren Gebiete umfaßte. Hier sah
man sich in den Nachkriegsjahren ohnehin schon vor das Problem gestellt,
die von der Front zurückkehrenden Soldaten unter schwierigen wirtschaftlichen
Bedingungen in den Arbeitsprozeß einzugliedern.15 Eine zusätzliche
Bürde stellte für das ganze Land Baden die Besetzung Kehls und seiner Umgebung
dar. die durch Frankreich bis Mitte 1930 aufrecht erhalten wurde.16
Weitere Probleme ergaben sich auch durch den Zuzug von Deutschen aus
Elsaß-Lothringen. Nicht ohne Auswirkungen auf Baden blieb der Ruhrkampf
: Französische Truppen besetzten 1923 den Raum Offenburg, was für
die badische Wirtschaft enorme Schwierigkeiten mit sich brachte. Die geographisch
bedingte einseitige Orientierung der Verkehrswege in Nord-Süd-
Richtung erwies sich als schädlich. Der Bahnverkehr auf der Linie Basel-
Frankfurt wurde abgeschnürt, so daß der gesamte Güter- und Personenverkehr
über die in Ost-West-Richtung verlaufenden, nur unzureichend
erschlossenen Linien im Schwarzwald geführt werden mußte.17 Zu den
Problemen, die in der Weimarer Republik mehr oder weniger auf allen
deutschen Regionen lasteten — Demobilmachung, Reparationen, Inflation
und Weltwirtschaftskrise —, traten in Baden die oben beschriebenen Grenzlandprobleme
. Daß die Zeitgenossen die Situation in Baden als besondere
Not begriffen, dürfte an den Zahlen der Auswanderer abzulesen sein: Zwischen
1921 und 1933 suchten ungefähr 42.000 Badener durch Emigration
der wirtschaftlichen Bedrängnis zu entrinnen. 1921 war die Zahl dieser
Menschen sprunghaft angestiegen, um erst zu Beginn der dreißiger Jahre
wieder merklich zurückzugehen.18
Lahr war besonders getroffen. Vor dem Krieg noch Garnisonsstadt (was für
Kleinhandel und Gewerbe förderlich war), mußte sie nun als Folge der Ent-
militarisierung die Aufhebung der Garnison hinnehmen und damit den Verlust
von 2.000 Verbrauchern (10% der Gesamteinwohnerzahl).19 Die nun
leerstehenden Kasernengebäude suchte man durch Ansiedlung von Industriebetrieben
zu nutzen (insgesamt 21 Betriebe). Diesen Unternehmen
entstanden durch die Abschnürung des elsässischen Ergänzungsgebietes
Verluste, die Besetzung Offenburgs führte zu höheren Frachtkosten, Zeitverlusten
und Ausfällen in der Produktion und im Warenabsatz.20 Verschiedene
Denkschriften befaßten sich mit dem wirtschaftlichen Niedergang
, der in den Jahren 1927 bis 1929 in 80 % der Lahrer Betriebe bedrohliche
Ausmaße annahm. 27 von 43 geschädigten Betrieben mit 1.500 Beschäftigten
mußten ihre Fabrikation einstellen. Sie hatten keinen Ersatz für
ihre alten Absatzgebiete gefunden. Etliche Betriebe wurden verlegt oder
schränkten ihre Produktion ein.21 Dies blieb nicht ohne Folgen für die Lage
am Arbeitsmarkt in Lahr. Unter der Uberschrift „Badens Not als Grenzland
" berichtet der Lahrer Anzeiger von ,,Dauererwerbslosigkeit ganz
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