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schnell expandierenden Markt, sondern
führte auch zu einer raschen industriellen
Entwicklung (weitere Firmengründungen
als Zuliefer- und Konkurrenzbetriebe), die
das 1867 zur Stadt erhobene Schramberg
die Benachteiligung der früheren Jahrhunderte
aufholen und die älteren Uhrenzentren
des südlichen Schwarzwalds übertrumpfen
ließ. Der wirtschaftliche Hintergrund
des Aufstiegs der Firma Junghans
„zur bedeutendsten Uhrenfabrik im
Schwarzwald und in Deutschland überhaupt
" (S. 89) war das Verharren der Konkurrenten
in rein handwerklicher Fertigung
, die sie, z. B. die traditionsreichen
Schwenninger Uhrenfabrikanten, ins Hintertreffen
geraten ließ, aber auch der „Zug
zur Zeit" als Folge der Industrialisierung,
die auf genaue Zeitmessung und Zeiteinteilung
angewiesen war.
Die Herausarbeitung der diesbezüglichen
„Sonderrolle Schrambergs" (S. 95), der
sie bestimmenden Standortfaktoren, aber
auch der Lebens- und Arbeitsbedingungen
der schnell wachsenden Zahl der Arbeiter
in der Schramberger Uhrenindustrie (1914:
5000) sind weitere, interessant und intensiv
abgehandelte Themen, zu denen auch die
„raumwirksamen Veränderungen infolge
der industriellen Expansion" (S. 113) gehören
, so die das Stadtbild bis heute prägenden
Villen der Fabrikanten oder die
Industriebauten, die zu kleinen Fabrikstädten
heranwuchsen. Ein besonderes Problem
war die Verkehrserschließung, zumal
der neue Verkehrsträger Eisenbahn mit zunehmender
Industrialisierung zu einem
entscheidenden Standortfaktor wurde. Daß
die „Randlage Schrambergs und die kleinstaatlichen
Denkweisen" (S. 109) die
Streckenführung der Schwarzwaldbahn
über diese Stadt, obwohl preisgünstiger und
technisch einfacher, verhinderten und es
erst 1892 zum Bau einer Stichbahn von
Schiltach her kam, ist ein weiterer wichtiger
Punkt, „denn ohne den Eisenbahnanschluß
hätte die Industrie zu dieser Zeit
keine Überlebenschance gehabt" (S. 112).
Die industrielle Monostruktur, die Unter-
entwickJung des tertiären Sektors, die
strukturelle Krise der Uhrenindustrie
(Elektronik statt Mechanik) und ein Wandel
der Standortfaktoren (gute Straßen- und
Autobahnanbindung, genügend ebene Flächen
für die automatisierten Produktionsprozesse
) brachten Schramberg nach 1945
nicht das allgemeine „Wirtschaftswunder",
sondern ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten
, die in den 60er und 70er Jahren
zu einem starken Arbeitsplatzabbau und einer
überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit
führten. Die Stadt konnte damals nur durch
staatliche Notprogramme überleben und
wurde zum „Landesfördergebiet wegen
Einseitigkeit der Struktur" erklärt. Die Erarbeitung
der Ursachen dieser Krise und
der Versuche ihrer Überwindung (z. B.
Standort Verlagerungen auf die „Berg Vorstadt
" Sulgen, ohne die „die industrielle
Entwicklung in Schramberg zu Ende gewesen
wäre", S. 156) bilden, zusammen mit
der eigentlichen stadtgeographischen Untersuchung
des Versorgungspotentials der
Stadt, ihrer Funktions- und Verkehrsanalyse
die abschließenden Abschnitte dieser
Arbeit, die auch Vergleiche mit Nachbarstädten
wie Oberndorf, Rottweil und
Villingen-Schwenningen zieht (Schramberg
als „Einzelfall innerhalb der Stadtentwicklungen
Südwestdeutschlands", S. 160) und
Zukunftsperspektiven nicht scheut: „Die
Zukunft Schrambergs liegt in der Innovationskraft
der ansässigen Industriebetriebe.
Sie kann die strukturellen Schwächen überwinden
helfen" (ebd.). Ein 140 Seiten starker
Anhang bietet wirtschaftliche und
demographische Tabellen und Graphiken,
dazu Bilder und Karten, die als umfangreiche
Materialsammlung auch überörtlichen
Nutzen haben, von der Vorbildhaftigkeit
für ähnliche Untersuchungen abgesehen.
Kritische Anmerkungen, die bei einer so
umfangreichen und dichten Arbeit immer
zu machen sind, betreffen einige Ausführungen
zum Mittelalter, das der Vf. doch
recht ungewohnt als „Feudalzeit" oder
„feudale Epoche" apostrophiert: Herzog
Ernst II. von Schwaben vor allem eine Gestalt
aus Sage und Literatur (S. 18)? Schutz
von Straßen und Wegen bzw. Klosterbesitz
als Aufgabe der „Rittergeschlechter"
(ebd.)? Adelsfamilie „von Geroldsbach"
(S. 19)? Der Vf. stützt sich in diesem Kapitel
vor allem auf ältere lokalgeschichtliche
Arbeiten, z. T. Manuskripte, ohne die neue-
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