http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1992/0375
Der grüne Strahl von Straßburg
Vor diesem kultur-, geistes- und kirchengeschichtlichen Hintergrund sei
nun der Versuch gewagt, den grünen Strahl, der vom Schuh des Jakobsohnes
Juda ausgeht, zu entziffern und in der Vielzahl seiner Bedeutungen zu
interpretieren.
Genealogie Christi
Das Triforium-„Programm" im Straßburger Münster, das Generalthema der
vielen Glasfenster über den Arkaden, ist: „der Stammbaum Christi". Aufgereiht
und aufrecht sind die Stammväter Christi aus dem alten Testament
zu sehen. Oder, wie es ein Autor von 1732 formulierte: „Die Fenster in den
obern Gang des Schiffs stellen vor die 74 Voreltern Christi des Herrn wie
zu lesen Lucca Cap. 3"33.
Populär wurde dieses ikonographische Thema zwar vor allem durch die Wur-
zel-Jesse-Darstellungen. Aber diese sind nur ein Teilbereich der viel umfangreicheren
und älteren genealogischen Stammbaum-Jesu-Darstellungen.
Die erste, geschlossene Genealogie Christi findet sich auf einem böhmischen
Krönungsevangeliar aus dem Jahre 1085: 54 Halbfiguren von Abraham
bis Christus. Aus dem 14. Jh. ist eine vergleichbare Darstellung im
Compendium des Petrus von Poitiers erhalten''4.
Auch der elsässische „Hortus Deliciarum" der Hertha von Landsberg, geschrieben
und gemalt 1167-1195 unweit Straßburgs, kannte, wenige Jahre
vor dem Langhausbau und der Fertigung der Glasgemälde, diese Genealogie
Christi, „indem sie diese als Angelschnur darstellt, an der die göttliche
Vorsehung den Leviathan fängt"35. Man kannte also im Elsaß das Thema
auch noch aus anderen Zusammenhängen und schon vor der Anlage des
Triforiums im Münster mit der Reihe Christi' Ahnen.
Juda, Sohn des Jakob
Juda war der vierte der zwölf Söhne Jakobs, neben Rüben (der Erstgeborene
, aber „weil Du aufwallst wie Wasser sollst Du nicht der Oberste sein", 1.
Mose 49,4) oder Josef („Hirten und Fels Israels" 1. Mose 49, 24).
Juda hat unter den Söhnen eine Sonderrolle gespielt und nahm immer wieder
eine hervorragende Stellung ein. Seine Nachkommen bildeten den
375
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1992/0375