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und zeitgenössischem Stilempfinden angepaßt. Dennoch war die Architektur
des 13. Jahrhunderts außen und innen durch den neuen Putz- und
Stucküberzug hindurch erkennbar geblieben und kündete so - wohl beabsichtigt
- vom ehrwürdigen Alter der Abteikirche. Zweifellos ist der barocke
Neu- und Umbau der Abtei Schwarzach als ein historisch wertvolles
Denkmal der politischen Ansprüche der Abtei zu bewerten. Dies zu betonen
ist wichtig, da später stets nur der angeblich künstlerisch mangelhafte
Wert des Kirchenumbaues betont wurde. Dabei legte man freilich bei einem
Umbau des 18. Jahrhunderts unangemessen und unhistorisch den Maßstab
eines barocken Neubaus an. Eine solch einseitige ästhetische Sichtweise
übersieht die historische Aussagekraft des sparsam ausgeführten Umbaus
mit seinen Schwächen: Er legte deutliches Zeugnis ab dafür, daß in
Schwarzach selbstbewußter politischer Anspruch und wirtschaftliche
Realität nicht übereinstimmten.
Die Restaurierung des 19. Jahrhunderts
Der beschriebene barockisierte Zustand blieb zunächst auch nach der Säkularisation
von 1803 erhalten. Die Kirche wurde in Staatsbesitz als katholische
Pfarrkirche weitergenutzt. „Eine gute Dosis antiklerikalen Geistes"17
der zuständigen Baubehörden verursachte Unterhaltsstreitigkeiten; aber
wohl auch drückende Erinnerungen der Schwarzacher an Frohn und Klosterabhängigkeit
waren verantwortlich für jahrzehntelange Verwahrlosungen
der baulichen Zeugen der Vergangenheit.
Seit den 1860er Jahren begannen Bemühungen um eine stilgerechte Restaurierung
der nun als romanisches Baudenkmal entdeckten Kirche. Einerseits
wurden die barocken Einrichtungsgegenstände des vergangenen Jahrhunderts
als häßlich und einem neuen Zeitgeschmack nicht entsprechend
verurteilt, andererseits hatte die beginnende wissenschaftliche Erforschung
mittelalterlicher Architektur auch die besonderen Qualitäten des romanischen
Kirchenraumes ins Bewußtsein gebracht. In diesem Zusammenhang
ist eine idealisierende Innenansicht der Kirche aufschlußreich, die 1844 der
Karlsruher Architekt Friedrich Eisenlohr (1805-1855) anfertigte (Abb. 7):
Von sämtlicher Ausstattung befreit, zeigt sich darin das Kircheninnere in einer
kargen, allein auf den architektonischen Raum reduzierten Nüchternheit
. Besondere Bedeutung kommt dem unverstellten Durchblick bis in die
Mittelapsis zu, wo in einem lichten Sanktuarium ein kleiner Blockaltar zu
erkennen ist. Auch andernorts, vor allem an den großen mittelalterlichen
Domen, war der freie Durchblick und eine Bloßlegung der Architektur Ziel
von Restaurierungen gewesen. Nicola Borger-Keweloh hat dieses Phänomen
innerhalb der Geschichte der Denkmalpflege „die Lust am leeren
Raum" genannt1**. Daß die Darstellung Eisenlohrs darüberhinaus auch zeit-
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