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entfernt, da sie sich „der neuen viel schlichteren Ausstattung kaum mehr
einfügen" (Tschira)6'1. Hinter dem erneut restaurierten Orgelprospekt des
18. Jahrhunderts ersetzte die Bonner Orgelbauwerkstatt Johannes Klais die
Orgel des 19. Jahrhunderts durch ein neues Werk64. Weiterhin hatte Tschira
vor, „den barocken Bestand möglichst auf die Westseite zu konzentrieren,
wo sie sich mit der Orgel und der Empore gut vertragen würden"65: Einige
alte Abtsgrabsteine und zwei barocke Beichtstühle wurden hier im Dunkeln
den Blicken entzogen. Die beiden anderen barocken Beichtstühle wurden
nach Reichenau-Mittelzell abgegeben66. Das Chorgitter aus dem 18. Jahrhundert
sollte zunächst ebenfalls unter die Empore versetzt werden; letztlich
teilte und verkaufte man es: Das Mittelteil erhielt 1969 das Badische
Landesmuseum Karlsruhe67, die Seitenteile des Chorgitters gingen an das
Staatliche Hochbauamt Konstanz, das sie zur Abschrankung der Seitenschiffe
im Münster von Reichenau-Mittelzell verwenden wollte68. Reste der
neuromanischen Ausstattung wurden sämtlich beseitigt: 17 der im 19. Jahrhundert
romanisierend umgestalteten, barocken Kirchenbänke wurden dem
Pfarrer für einen Pauschalbetrag von 15 DM als Brennholz überlassen69,
der Hochaltar und wohl auch die Kanzel wurden im Pfarrgarten verbrannt70
. Der Verbleib von weiteren 1964 noch vorhanden gewesenen wertvollen
Ausstattungsstücken des 18. Jahrhunderts, wie z. B. eines geschnitzten
Lesepultes71, wohl aus der Regierungszeit Abt Joachim Meyers
(1691-1711), ist unbekannt.
Tiefgreifende Eingriffe in die Bausubstanz hatten unter Arnold Tschira die
ehemalige Abteikirche Schwarzach rigoros purifiziert. Die Kirche wurde
umgebaut in einen Zustand, der nach Ausweis sorgfältig erhobener Befundergebnisse
dem ursprünglichen Bild des 13. Jahrhunderts nahekommen
sollte. Von der Ausstattung des 19. Jahrhunderts blieb nichts erhalten, wenige
übriggebliebene Stücke der barocken Ausstattung wurden umgebaut und
an zumeist veränderten Standorten in der Kirche als Schaustücke ausgestellt
oder ganz entfernt72. Der vor allem auf künstlerische Wirksamkeit des
Baues gerichtete Blick Tschiras ließ die Sicht auf das Baudenkmal als notwendig
gealtertes und stilvielfältiges Geschichtszeugnis nicht zu. Folge war
nicht nur die Auslöschung letzter authentischer Erinnerungsmale der Barockzeit
an der Klosterkirche, sondern zusätzlich auch die Vernichtung materieller
Zeugen einer zeittypischen Umgestaltung der Kirche durch einen
der wichtigsten badischen Architekten im 19. Jahrhundert. Die große Restaurierung
1967-69 stellt letztlich eine Zensierung von Baugeschichte dar.
Tschiras Assistent Peter Marzolff versuchte dieses auf den ursprünglichen
Zustand des 13. Jahrhunderts gerichtete Restaurierungskonzept mit dem
Bekenntnis, daß „ein bestehendes Kunstwerk von Rang keine Vergangenheit
kennt"73 zu legitimieren. Selbstbewußt bekannte auch Tschira: „Gewiß
werde ich mich, was Schwarzach angeht, bemühen, zu einem möglichst
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