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Ludwig Eichrodt, Dichterjurist des Biedermeier
Reiner Haehling von Lanzenauer
Das Wägen der Worte, ihr Einpassen in Texte, gehören im speziellen zur
Rechtsfindung, ganz allgemein natürlich zur Schriftstellerei. Dies mag erklären
, weshalb gerade der Jurist immer wieder hinüberwechselt ins Abfassen
schöngeistiger Literatur. Er sucht Ausgleich und Bestätigung im Spannungsfeld
zwischen Rechtsberuf und dichterischer Berufung. Rechtskundige
Dichter haben daher ein gut Teil deutsche Literaturgeschichte mitgeschrieben
, man denke nur an Namen wie Brentano, Grillparzer, Hebbel,
E.T.A. Hoffmann, Scheffel, Storm oder Unland'. Einen Dichterjuristen unseres
mittelbadischen Raumes verkörpert der Richter Ludwig Eichrodt,
Schöpfer des Begriffes vom Biedermeier.
Lehrjahre
In der alten Markgrafenstadt Durlach, die seit Verlegung der Residenz nach
dem nahen Karlsruhe ein stilles Schattendasein führt, wird Ludwig am
2. Februar 1827 geboren. Er ist das zweite von zehn Kindern des Kreisrats
Ludwig Friedrich Eichrodt und seiner aus Lahr stammenden Ehefrau
Elisabeth geb. Joos2. Bereits ein Jahr nach der Geburt des kleinen Louis,
wie man den Jungen von nun an ruft, siedelt die Beamtenfamilie nach
Säckingen über, wo der Vater zum Oberamtmann ernannt worden ist. Drei
Jahre später erfolgt die Beförderung zum Stadtdirektor in Heidelberg,
ein neuer Umzug ist vonnöten. Bereits im Jahre 1836 wird der fähige
Beamte ins Karlsruher Innenministerium berufen, in rascher Karriere steigt
er vom Rat zum Innenminister auf, verstirbt Ende 1844 im Alter von nur
46 Jahren.
Der Sohn Ludwig besucht das Lyceum am Karlsruher Marktplatz. Das Lernen
fällt ihm leicht. Nur die Mathematik bereitet ihm wenig Freude, was
nach seiner Ansicht nicht am Unterrichtsstoff, sondern an den Lehrern
liegt3. Daneben beschäftigt er sich mit Malen, Musizieren und Laienschauspiel
, verfaßt erste Gedichte. Wanderungen und Ausflüge erfüllen die freien
Stunden, vermitteln neuartige Eindrücke: der junge Schüler entdeckt das
erste Dampfschiff auf dem Rhein, die neue Eisenbahn auf ihrer Fahrt zwischen
Karlsruhe und Heidelberg. An den Abenden liest man im Elternhause
die Klassiker oder diskutiert die Tagesereignisse. In seiner heiteren Wesensart
sorgt Ludwig dafür, daß Lachen und Humor nicht zu kurz kommen.
Am 23. September 1844, nunmehr 17 Jahre alt, besteht der junge Eichrodt
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