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Bösgläubige Besitzer
spazieren durch Wald und Flur,
und schauen, um zu verjähren,
alle Augenblicke auf die Uhr
Wer öffnet dort den Laden
und sieht zum Fenster hinaus?
Das Aussichtsrecht zu genießen
scheint mir der Mann vom Haus.
Wer wagt dort drüben zu stutzen
die schönsten Äste des Baums?
Ich glaub' es ist ein Nachbar,
er wehrt sich seines Raums.
Der Tritt dort auf den Hintern?
O Augen- und Ohrenschmaus!
Ein zahlungsflüchtiger Mieter
fliegt in die Natur hinaus.
Wohin ich schaue und wandle,
begegnet mir unverseh'ns,
zur Poesie verkläret
die alte Jurisprudenz.
Ernste, gehaltvolle Lieder bringt die Zusammenstellung der „Melodieen"
von 1875, läßt gleichwohl da und dort leichte Muse anklingen. Sie gewinnt
die Oberhand im „Hortus deliciarum für den deutschen Humor gepflanzt",
den Eichrodt 1877-79 herausgegeben hat. Die deutschen Dichter waren
aufgerufen worden, witzige Verse für ein „Ergänzungs-Kommersbuch" einzusenden
. Was Eichrodt für den Verlag Schauenburg in Lahr aus der Flut
der Zuschriften auswählt, wird in sechs Heften, jeweils „Spaziergang" betitelt
, unters Publikum gebracht. Die ansprechend illustrierten, eingängigen
Verse aus der Feder von Auerbach, Eichrodt, Freiligrath, Geßler, Kußmaul,
Scheffel und vielen anderen finden guten Absatz. Im Jahre 1882 gibt
Eichrodt eine Anthologie heraus: „Gold. Sammlung des Ursprünglichen
und Genialen in deutscher Lyrik. Verse, die Musik in sich tragen." Diesmal
läßt Eichrodt anderen den Vortritt, vergebens sucht man in diesem Buche
Beispiele seiner eigenen Poesie. Dafür erscheinen beim Verlag Bonz in
Stuttgart kurz vor dem Tode des schriftstellernden Oberamtsrichters dessen
gesammelte Werke in zwei zeittypisch aufgemachten Bänden. Unveröffent-
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