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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
74. Jahresband.1994
Seite: 512
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Als Sänger von Liedern götterkehlig

In Nordseerythmen jugendkraftselig.

Zum Apostel der Freiheit auswachsend allmählich.

Als Mensch spottlüstern, oft unausstehlich.

Anklänge an den aufkommenden Expressionismus werden jetzt hörbar, namentlich
in dem phantastischen Nachtstück „Der Mond ist tot"9. Überzogen
erscheint es hingegen, von bildhauerischer Sprachschöpfung zu reden10
. Da offenbart sich vielmehr ein zuweilen holpriger, oft mittelmäßiger
Stil, dem nur ab und an meisterliche Reime glücken. Vom Inhalt her sind
Ereignisse, Persönlichkeitsbilder und Stimmungen thematisiert, die von
der Antike bis in die neuere Geschichte reichen. Dabei kommt im Gefolge
der allgemeinen vaterländischen Begeisterung der Gründerzeit- und Weltkriegsjahre
viel Patriotisches zum Durchbruch. Mehr noch dürfte das 1925
veröffentlichte Heimatbüchlein mit seinen besinnlichen Versen über Badens
Städte und Landschaften eine breite Leserschaft angesprochen haben.
Der weitgereiste Dichter richtet gleichermaßen den Blick nach draußen, in
seinen Liedern und Balladen greift er Stoffe auf wie die Geisterschlacht
am Euphrat, Napoleons Schlachten und Verbannung, die Sage vom portugiesischen
König Sebastian, den Spuk von Westminster, die Trauer um eine
junge Griechin, den Mittagszauber in der Pußta. In all dem erfahren historisches
Bildungswissen vereint mit weitläufiger Kenntnis fremder Länder
ihre dichterische Ausformung.

Heinrich Vierordt hätte mithin an der Schwelle des Greisenalters auf ein
schlichtes, aber regional anerkanntes Lebenswerk zurückblicken können.
Leider hat er's hierbei nicht belassen. Im Umfeld der nationalsozialistischen
Machtergreifung sympathisiert Vierordt mit den neuen Herren, verfaßt
eine Reihe von Huldigungsversen. Nach dem sogenannten Anschluß
Österreichs im Jahre 1938 besingt er Hitler: „Du bist mehr als König und
Kaiser / Du bist des deutschen Volkes Festzusammenschweißer." Peinliches
Pathos, ungewollt ins Groteske driftend. Kaum wird sich noch ergründen
lassen, ob der Hochbetagte da im Vollbesitz seiner Geisteskräfte handelte
oder ob gerontologischer Abbau ihm die Einsichtsfähigkeit trübte. Jedenfalls
kann man Vierordt, gemessen an seinem übrigen zwar konservativen
, aber in vielen Zügen weltoffenen Schrifttum, nicht den landläufigen
braunen Barden gleichsetzen. Daß er als Mitläufer auftrat, läßt sich nicht
bestreiten.

Schon bald sollte der Dichter am eigenen Leibe erfahren, wohin das Naziregime
die Deutschen geführt hatte: Im Herbst 1942 wurde seine Wohnung
in der Karlsruher Westendstraße bei einem Luftangriff völlig zerstört, mit
seiner Frau mußte er im Hotel Post in Hornberg/Schwarzwald, Poststraße 9.

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