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Landwirten mit dem Hinweis, daß 80% der Kredite von Sparkassen und
landwirtschaftlichen Fachbanken stammten, die Absurdität der Behauptung
vor, daß v. a. das „jüdische Leihkapital" die Landwirtschaft schädige.
Die im „Gesamtwohl"-Konzept angelegte Möglichkeit des Eigentumsentzuges
wurde ebenso aufgezeigt wie die Schwierigkeiten, den notwendigen
Kredit bei einem grundsätzlichen Belastungsverbot für landwirtschaftliche
Betriebe zu erhalten." Schließlich wurden die Landwirte am Ende dieser
Presseoffensive gewarnt: „Bauer paß auf, der Fuchs geht um! Du müßtest
in erster Linie die Zeche bezahlen, wenn die Nationalsozialisten ihre Experimente
durchführen wollen, mit Krieg, Bürgerkrieg, Inflation und
Zwangswirtschaft."100 Eine zumindest partiell zutreffende Prognose.
Die Zollschutzfrage wurde nicht nur von den Vertretern der NSDAP aufgegriffen
. In einer „Großen Bauernversammlung in Bühl" traten neben den
Vertretern der mit der Landwirtschaft befaßten Institutionen und Vereine,
Landesökonomierat Kölmel, Obstbaurat Blaser u. a., auch Vertreter der
Verwaltung, Landrat Villmaier, Kreisvorsitzender Schneider und verschiedene
Bezirks- und Kreisräte sowie „die Bürgermeister zahlreicher Gemeinden
" an die Öffentlichkeit. Nachdem der Landesökonomierat in seiner Ansprache
auf den nur kurzfristigen Nutzen von Steuerstundungen, Krediten
und Zinssenkungen hingewiesen hatte, bemerkte er abschließend: „Schon
mehr Aussicht bietet der Zollschutz; denn in der ausländischen Konkurrenz
liegt die Hauptursache der Not."101 Die von Kölmel formulierten Forderungen
wurden so oder zumindest ähnlich bei einer Vielzahl von Versammlungen
im Bezirk und ganzen Land Baden vorgebracht.102 Allerdings
wurde auch immer wieder vor einer allzu radikalen Anwendung dieses
Mittels gewarnt. Kölmel z. B. mahnte zur Rücksicht auf „andere Berufsgruppen
".103 Damit sprach er den Umstand an, daß die Obstzölle in verschiedenen
Handelsverträgen, „die der deutschen Industrie Vorteile bringen
", auf niederem Niveau gebunden waren.104 Wollte man weiter Industriewaren
nach Italien usw. exportieren, konnte man den Import der
Agrarprodukte dieser Staaten nicht durch allzu hohe Agrarzölle behindern.
Zwischen 1925 und 1933 wurden für alle wichtigen Nahrungsmittel
Schutzzölle erlassen bzw. die bestehenden erhöht.105 Lediglich die Getreidepreise
stabilisierten sich, was von den Landwirten entsprechend begrüßt
wurde.106 „Die für die Erzeugnisse der Veredelungswirtschaft, für Obst
und Gemüse eingeräumten Zölle" waren zudem aufgrund der „Preisempfindlichkeit
der Verbraucher" nur begrenzt erhöhbar. Sie waren im Vergleich
zu den Getreideprodukten relativ teuer und ihr Anteil an den Lebenshaltungskosten
entsprechend hoch. In ihrem Schutz sollten lediglich
die Qualitäts- und Absatznachteile der deutschen Landwirtschaft ausgeglichen
werden.107 Entsprechend wurde von den Landwirten immer wieder
Bereitschaft zur „Selbsthilfe" gefordert.108 Damit waren in erster Linie die
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