http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1994/0656
fehlen jedoch ein Inhaltsverzeichnis sowie
jegliche Quellen- und Literaturangaben.
Manfred Hildenbrand
Werner Köhler: Offenburg nach 1945.
Neubeginn und Wiederaufbau in Politik
und Gesellschaft. Mit einem Geleitwort
von Rolf Ruef, DGB-Kreisvorsitzender
, und einem Vorwort von Prof.
Dr. Heiko Haumann. Hrsg. vom Arbeitskreis
Regionalgeschichte Freiburg
e. V., Band 5. J. Haug Verlag Freiburg
i. Br., 1993, 226 S., DM 19,80
(Zu diesem Buch gingen uns zwei Rezensionen
ein; da sie z. T. verschiedene
Aspekte betrachten, drucken wir beide
ab. Die Redaktion.)
Köhler legt eine anregende Untersuchung
und aufschlußreiche Analyse der strukturellen
Bedingungen des politischen und
gesellschaftlichen Lebens und der politischen
Strukturen in der Stadt nach dem
Einmarsch der I. frz. Armee am 15. April
1945 vor. Nach seinen Darlegungen setzte
die Besatzungsmacht rasch eine Stadtverwaltung
ein, die bevorzugt in den Händen
von Geschäftsleuten lag, um eine möglichst
reibungslose Verwaltung zu gewährleisten
. Das Ende des Kriegsgeschehens
, von den unliebsamen Begleiterscheinungen
einer Besetzung abgesehen,
schien gesichert zu sein, als wenige Tage
vor der am 7. Mai in Reims unterzeichneten
Kapitulation der Wehrmacht in der
Nacht vom 3./4. Mai bei einer Explosion
in einer von ehemaligen Zwangsarbeitern
bewohnten Kaserne 114 Russen getötet
wurden. Nach offizieller Lesart soll es
sich um Zeitminen gehandelt haben, welche
die abziehenden deutschen Truppen
noch gelegt hätten, was von Köhler im
Hinblick darauf, daß diese schon drei Wochen
zuvor abgezogen seien, in Zweifel
gezogen wird. Es bleibt offen, ob dieser
blutige Anschlag das Verhältnis zwischen
den in Offenburg damals untergebrachten
4000 Zwangsarbeitern, die auf ihre Rückführung
warteten, und der Einwohnerschaft
maßgebend beeinflußte.
Neubeginn und Wiederaufbau gingen
zunächst langsamer vonstatten, als die demokratischen
Kräfte sich das gewünscht
und erwartet hatten. Erst im September
1945 wurden in der frz. Besatzungszone
die Gründung von Gewerkschaften erlaubt
, und das zunächst nur auf lokaler
Ebene. Eine Lokalzeitung erschien erst im
Oktober, und mit Parteigründungen mußte
noch bis Dezember zugewartet werden.
Ein größeres Kapitel beschäftigt sich mit
der Programmatik der politischen Parteien
vor den Wahlen 1946 im lokalen Rahmen.
Die Sozialdemokratische Partei, die in
Baden zunächst als „Sozialistische Partei
Badens" firmierte, hätte nach dem Kriege
mit einem besonderen Wahlerfolg rechnen
dürfen, war sie doch die einzige Partei -
neben den damals ausgeschlossenen
Kommunisten -, die gegen das Ermächtigungsgesetz
stimmte, das Hitler die
Macht übertrug. Doch schien das bei den
Überlegungen der Wähler keine Rolle zu
spielen, wurde ja auch später zum Bundespräsidenten
ein Reichstagsabgeordneter
gekürt, der für das Gesetz gestimmt hatte:
Theodor Heuß. Köhler zitiert im Zusammenhang
mit jener so verhängnisvollen
Entscheidung ein Argument, das 1946 im
Wahlkampf gegen die Sozialdemokraten
ins Feld geführt wurde: „Aber die Sozialdemokratie
hätte ja das Ermächtigungsgesetz
unmöglich machen können, sie hätte
nur bei der Abstimmung den Sitzungssaal
verlassen brauchen, dann wäre der
Reichstag beschlußunfähig gewesen. Warum
ist sie nicht hinausgegangen?"
Wie Heiko Haumann hervorhebt, beansprucht
die eindrucksvolle wahlsoziologische
Analyse der Wahlergebnisse von
1946 bis 1948 heute noch besonderes Interesse
, wie auch das Kapitel über die
Versuche zur Bewältigung der nazistischen
Vergangenheit, wobei auch auf den
„Fall" Burda eingegangen wird. In seiner
abschließenden Zusammenfassung der Ergebnisse
seiner Untersuchung konstatiert
Köhler, daß man von einer tatsächlichen
Restauration von politischen Strukturen
656
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1994/0656