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friedigen, so ließ er sich, als im Jahre 1864 der französisch-mexikanische
Krieg ausgebrochen war, bei der französischen Fremdenlegion anwerben,
kam nach Mexiko, schrieb von dort begeisterte Briefe über die Schönheit
des Landes, avancierte sehr bald zum Unteroffizier, fiel aber 1865 in einem
Gefecht gegen die Mexikaner bzw. er wurde bei einem nächtlichen Überfalle
, bei dem nahezu seine ganze Kompagnie aufgerieben wurde,
getötet1^. Lange Zeit hoffte die Tante Reindle immer noch, daß er sich vielleicht
doch noch gerettet haben könnte oder gefangen genommen worden
sei und schließlich noch zum Vorschein kommen könne. Ich hatte viele
Gänge und Eingaben für sie bei der französischen Gesandtschaft zu machen
, bis die traurige Tatsache seines Todes endlich festgestellt war25. Diese
späteren beklagenswerten Verhältnisse der Reindleschen Familie warfen
einen recht bedauerlichen Schatten in unser sonst so glückliches Familienleben
. Damals aber, als ich nach Offenburg ab und zu in die Ferien durfte,
war es bei Reindles auf der Glashütte recht schön. Es war sehr interessant,
den Arbeitern an den Glasöfen zuzusehen, wie sie halb- oder fast ganz
nackt in der glühenden Hitze stehend aus den „Häfen" im Ofen mit ihren
eisernen Blasrohren (Pfeifen genannt) zähflüssige Glasmasse herausholten
und so lange im Kreise schwangen, bis sich schließlich ein Zylinder von
hohlem Glas bildete, zunächst noch rotglühend, dann sich etwas abkühlend
. Diese Zylinder wurden sodann mit einem Diamanten der Länge
nach aufgeschnitten und auf kleinen Wagen, die auf Schienen liefen, in die
sog. Streckhütte gebracht, wo sie auf erhitzten Herden in noch weichem
Zustande gleichsam ausgebügelt und eben gestreckt wurden. Nach der Erkaltung
wurden sie entsprechend beschnitten, in Kisten gepackt und wiederum
auf kleine Rollwägen auf einem Schienengeleise, über den Hof ins
Magazin gefahren . . .
Auch sonst gab's manches zu sehen in dem altertümlichen Hause (meiner
Großeltern): Von einem der Zimmer im unteren Stocke führte eine Wendeltreppe
direkt in den Keller hinunter; in diesem lagerten große Stückfässer
voll Wein, der aus dem Faß direkt zum Gebrauch in Tonkrüglein abgefaßt
wurde. Von Flaschenweinen wußte man in den Haushaltungen nichts. Der
Wein wurde meist aus den eigenen Reben gewonnen oder im Herbst billig
eingekauft. Es war kein besonders edler, aber guter, reiner Wein. Der
Weinkonsum war ein ziemlich großer, da die Dienstboten viel Wein nach
Ortsgebrauch bekamen und die Großeltern eine allerdings nicht sehr bedeutende
Landwirtschaft betrieben und deshalb neben zwei Mädchen noch
einen ständigen Knecht halten mußten, neben unständigen Arbeitern im
Sommer. Es standen zwei Kühe im Stall und zwei Pferde. Auch Schweine
wurden gemästet und gaben für den Winter erwünschten Vorrat an Schinken
, Speck und Würsten. Das Schwarzbrot wurde in großen Laiben selbst
gebacken, das Frühstücksbrot dagegen vom Bäcker bezogen und zeichnete
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