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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
76. Jahresband.1996
Seite: 372
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wecken den Eindruck der Authentizität und sind deshalb populär geworden
. Eines davon, den Augenblick der Kaiserproklamation darstellend,
wurde als ganzes oder in Ausschnitten in Darstellungen der „Reichsgründung
" aufgenommen, so auch in die von der Landeszentrale für politische
Bildung Baden-Württemberg herausgegebene „Badische Geschichte" von
197923. Auf Einladung des preußischen Kronprinzen Friedrich war der
noch junge Maler Anton von Werner im Januar 1871 aus Karlsruhe nach
Versailles gekommen, um dort das, was er sah, in Skizzen festzuhalten.
Diese stellten die Grundlage für die Bilder dar, die er später malte. Die fotografische
Genauigkeit der Darstellung verschleiert, daß der Maler das
Gesehene umstilisiert.

Werner hat das Geschehen in Versailles mit scheinbar fotografischer
Genauigkeit in Skizzen festgehalten. In den späten siebziger und den achtziger
Jahren hat er die Skizzen benutzt, um den Augenblick der Proklamation
darzustellen. In den frühen Fassungen des Bildes wird die Person Bismarcks
nicht hervorgehoben; Bismarck trägt auf diesen Bildern die blaue
Uniform, in der er an der Feier in Versailles teilgenommen hat. In einer
späteren Version des Bildes aus den achtziger Jahren steht Bismarck im
Zentrum, durch eine weiße Uniform aus der Menge der in Blau gekleideten
Uniformträger herausgehoben24. Obwohl Werner bei der Proklamation
anwesend war, hat er das Geschehen also nicht genau wiedergegeben, sondern
er brachte seine subjektive Sicht mit ein und gab - je mehr Zeit zwischen
den Ereignissen in Versailles und der Fertigstellung des Bildes vergangen
war - seine Deutung des Geschehens. Insofern unterschied er sich
nicht von Zeitgenossen, die ihre Interpretation in literarischen Texten verbreiten
ließen25. Der Hofmaler Anton von Werner, der „bevorzugte Maler
des Kaiserreiches", der in Versailles Zeuge der Kaiserproklamation war
und der kritische Journalist Otto Hörth, der Gegner der preußischen Monarchie
und aller Monarchien, stimmen also darin überein, daß sie in ihren -
bildlichen oder poetischen - Darstellungen den eigentlichen Gründer des
Reiches aussparen.

Otto Hörths in Amerika veröffentlichtes, in Österreich und in der Schweiz
in linken Zeitungen nachgedrucktes Gedicht hat in seiner badischen Heimat
wohl kaum Eindruck gemacht. Das Geschichtsbild der Badener ist
mehr durch panegyrische Texte, durch Gedichte von Emmanuel Geibel wie
„Zur Friedensfeier", das in das Badische „Lesebuch für Volksschulen"
(1878) aufgenommen wurde26, und durch Reproduktionen von Bildern wie
denen Anton von Werners geprägt worden. Im 125. Jahr nach der „Reichsgründung
", der Kaiserproklamation in Versailles, ist es angebracht, daran
zu erinnern, daß 1871 auch Menschen gelebt haben, die die demokratische
Tradition der Revolution von 1848/49 in Gedichten und anderen Texten

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