http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1996/0379
weiten, zudem waren sie untereinander vielfach gespalten in Männer, Frauen
, Kinder, Taglöhner, Facharbeiter, Gelegenheitsarbeiter u.v.m. Dennoch
hält im Jahre 1833 der moderne Klassenkonflikt auch in Lahr Einzug,
wenn auch auf eher „theoretische" Art, nämlich im „Lahrer Wochenblatt".
Die Ursachen für die Zeitung und ihre Leser, sich mit der modernen Arbeiterfrage
zu befassen, lagen weiter westlich, in Südfrankreich. Hier war es
1831 zu Streiks in den Lyoner Seidenindustrien gekommen, die militärisch
niedergeschlagen wurden. Dennoch ließen diese ersten selbständigen Massenbewegungen
der Fabrikarbeiterschaft auf dem europäischen Festland
von nun an das Bürgertum nicht mehr ruhen.
Am 27. Juli 1833 berichtete das „Lahrer Wochenblatt" von „fortdauernden
Spannungen zwischen den Seidenfabrikherren und ihren Arbeitern in Lyon
und der Gefahr neuer Ausbrüche, weil die Arbeiter mehr Lohn wollten".
Kurze Zeit darauf wurde erleichtert „Friede" gemeldet, doch schon im darauffolgenden
Jahr kam es zu neuen, schweren Ausbrüchen.
Die Reaktion hierauf durch das „Lahrer Wochenblatt" ist bemerkenswert.
Zum einen wird in der Erklärung der Unruhen zum ersten Mal ein Modell
bemüht, welches sich von jetzt an durch die Beurteilung der Arbeiterbewegung
durch den Bürger ziehen sollte: der verführte Arbeiter.
„Der furchtbare Sturm der Arbeiter in Frankreich", konnten die Lahrer
Handelsleute und Fabrikanten im Januar 1834 lesen, „hat sich nun zwar
gelegt, aber nun verfolgt man die Fäden der mächtigen und bedenklichen
Verbindung, und glaubt sie in den Händen einer gewissen Parthei zu entdecken
, die hinter dem Vorhang die Bewegungen leitete, und welcher die
verhafteten und verurtheilten Häupter der Arbeiter nur zu blinden Werkzeugen
dienten."
Zum anderen befand sich die liberale Bourgeoisie in Baden in den dreißiger
Jahren ja selbst in Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit, und zumindest
Teile der Liberalen betrachteten das „Volk" dabei noch als willkommene
Bündnispartner. Und so konnte sich die Reaktion auf die schweren Auseinandersetzungen
in Lyon einer gewissen Bewunderung nicht enthalten:
„Fünf Tage war der Mordkampf in Lyon und viel wilder als in Paris.
12 000 Arbeiter werden gerechnet, die im Feuer standen. Die Anstalten
derselben waren meisterhaft und der Verlust der Linientruppen bedeutend."
Parallel zu diesen aktuellen Berichten erschienen nun häufiger Artikel und
Artikelreihen über führende Theoretiker des frühen Sozialismus. So etwa
finden die St. Simonisten unter Prosper Enfantin (LW 1833/92) oder auch
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