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lessen ins Ausland ab, Killinger hatte rechtzeitig für Reisepässe gesorgt.
Nach einem Zwischenhalt in Oberbayern gelangten beide mit Hilfe geländekundiger
Führer über die grüne Grenze nach Österreich, von wo sie weitergeleitet
wurden nach Ungarn. Dort lebten sie mehrere Jahre teils bei
gleichgesinnten ungarischen Bekannten, teils in Budapester Hotels. Im
Sommer 1924 verhaftete die ungarische Polizei den gesuchten Heinrich
Schulz. Zwei deutsche Kriminalbeamte reisten nach Budapest und stellten
seine Identität fest. Als die deutschen Behörden das Auslieferungsverfahren
einleiteten, wurde bekannt, daß die beiden Gesuchten nach Jugoslawien
ausgewiesen worden seien27. Nun trennten sich ihre Wege. Schulz hielt
sich zuerst in Triest auf, zog sodann unter falschem Namen über Trient
nach Bozen in Südtirol. Nach etwa einem halben Jahr wurde sein Aufenthaltsort
der Polizei bekannt. Auf eine Warnung hin flüchtete er Anfang
1925 nach Kapstadt, von da weiter nach Südwestafrika. Von 1926 bis 1932
war er bei einer deutsch-spanischen Firma in Neu-Guinea angestellt. Über
Spanien kehrte er schließlich zurück nach München, wo er Mitte März
1933 eintraf. Hier war der Ankömmling auf einmal wohlgelitten, denn die
neuen Machthaber billigten das von ihm verübte Verbrechen. Alsbald wurde
er in die SS aufgenommen und mit Führungsämtern betraut. Im Jahre
1940 ist er im Range eines Sturmbannführers zur Waffen-SS übergewechselt
, vier Jahre später wurde er zum Obersturmbannführer befördert. Sein
Komplize Tillessen war nach der Ausweisung aus Ungarn über Italien
nach Spanien geflohen, wo er unter Tarnnamen Arbeit bei einer Luftverkehrsgesellschaft
fand. Nach seinen Angaben ist er schon im Dezember
1932 nach Deutschland zurückgekommen. Im Juli 1933 erhielt er in Bremen
beim Norddeutschen Lloyd eine Stelle als kaufmännischer Angestellter
. 1934 ernannten ihn die Nazis zum SA-Führer. 1937 wurde er Generalvertreter
seiner Firma in Mannheim, ab 1938 wohnte er in Heidelberg.
Während des Zweiten Weltkrieges gehörte er der Kriegsmarine an, zuletzt
Korvettenkapitän der Reserve. Es schien, als bliebe die Mordtat ungesühnt.
Strafprozesse
Heinrich Tillessen konnte jedoch bald nach Kriegsende zur strafrechtlichen
Verantwortung gezogen werden. Am 15. Mai 1945 hatten ihn amerikanische
Soldaten auf Anordnung der Militärregierung festgenommen und in
das Gefängnis Heidelberg eingeliefert. Der US-Gerichtsoffizier in Mannheim
schrieb den Vorgang dem Mannheimer Oberstaatsanwalt zu, der damals
zugleich die Staatsanwaltschaft Heidelberg leitete. Dort vermerkte
man schon unter dem 7. Juli 1945, daß die Sache eigentlich an die Staatsanwaltschaft
Offenburg abzugeben sei, schob allerlei Gründe gegen eine
Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach. Der amerikanische Gerichts-
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