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Vom Grubenrand aus wurden die Tötungen beaufsichtigt. Bevor ab neun
Uhr die Gettobewohner erschossen wurden, waren bereits ab etwa 8.15 die
1000 Juden des Berliner Transportes erschossen worden54. Die Schützen
standen teils unter Alkoholeinfluß, denn es gab kistenweise Schnaps. Auf
den Erdwällen um die Gruben wimmelte es von uniformierten Zuschauern.
Manche mußten sich übergeben.
„Das grauenhafte Bild in den Gruben und um die Gruben herum läßt
sich kaum beschreiben: schreiende und weinende Männer, Frauen, Kinder
und Greise, andere Menschen wiederum sehr gefaßt, teils betend;
die Schüsse, mit der Regelmäßigkeit eines Automaten abgegeben; Menschen
, die sich fassungslos über das Geschehen hilfesuchend an Uniformierte
wenden, die wiederum unbarmherzig auf ihre Opfer einschlagen,
um sie zu größerer Eile anzutreiben; angetrunkene Schützen; riesige
Berge von Kleidungsstücken und Schuhen; Menschen, die bis auf die
Unterwäsche entkleidet bei dieser Kälte herumstehen müssen, um zuzusehen
, wie die Leidensgefährten vor ihnen erschossen werden, um sich
anschließend auf die noch warmen Leiber der Erschossenen legen zu
müssen, um dann selbst erschossen zu werden."
„Die Meldung über die Aktion kam noch abends im sowjetischen und
britischen Rundfunk. In den nächsten Tagen war sie Stadtgespräch -
auch wegen der lettischen Polizisten und der Kleidungsstücke."
Eine Frau überlebte, weil sie sich in den Schnee fallen ließ und tot stellte.
Nachfolgende Juden legten ihre Schuhe über ihr ab, so daß sie unter einem
Berg Schuhe noch alles hören konnte. Sie konnte später in ein Dorf fliehen
und überlebte als lettische Bäuerin verkleidet.
Ein Zeuge erinnert sich zum Berliner Transport, zwei oder drei Frauen hätten
„Grüßt mir Berlin" gerufen.
Von Wehrlosen zu Partisanen
Ab Juni 1941 waren die als „Einsatzgruppen" bezeichneten Mordeinheiten
direkt der Wehrmacht gefolgt und hatten vor allem in den Städten die jüdische
Zivilbevölkerung aller Altersstufen weitgehend vernichtet55.
Erst einige Monate später traten Partisanen auf und stellten sich den deutschen
Eindringlingen entgegen. Ab 1942 änderten die deutschen Einheiten
ihre Taktik und bildeten „Bandenkampfverbände". Im Sommer 1942 wurde
die Sprachregelung geändert. Himmler meinte, daß das Wort Partisan
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