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umfassenden Krieges erfahren. „Diese Erfahrung
erschütterte die lange genährte
Zuversicht von der Unangreifbarkeit der
eigenen Heimat, ja von der Wacht des
deutschen Militärs gegen den westlichen
Gegner." Die Zivilgesellschaft konnte den
Traditionsbruch, der darin lag, daß die Zivilisten
plötzlich unmittelbares Angriffsziel
waren, nur schwer ertragen.
Volker Ilgen, Mitarbeiter des Kultur- und
Werbegeschichtlichen Archivs Freiburg
und Holger Skor, der an einer Dissertation
über die nationalsozialistische Propaganda
in Frankreich zwischen 1933 und 1939
arbeitet, runden mit ihren Texten diese
Studiensammlung ab. Ilgen macht darauf
aufmerksam, daß die Geschichte der
Straßenneu-, -um und -rückbenennungen
in Deutschland die praktische Folge der
schlichten Erkenntnis ist, daß derjenige
Bewußtsein formt, der den öffentlichen
Raum markiert. Anhand der Geschichte
der Straßennamen lassen sich der sozialpolitische
und mentale Istzustand ihrer
Vergabezeit rekonstruieren. Als Beispiel
wählt Ilgen das Freiburger „Heldenviertel
". Skor seinerseits bringt mehr Licht in
die NS-Auslandspropaganda anhand seiner
Darstellung des deutsch-französischen
Frontkämpfertreffens in Freiburg 1937,
das ein sehr erfolgreicher NS-Propagan-
dacoup war.
Wolfgang Reinbold
Bernd Mathias Kremer (Hrsg.), Kunst
und geistliche Kultur am Oberrhein.
Festschrift für Hermann Brommer zum
70. Geburtstag. Kunstverlag Josef
Fink, Lindenberg 1996, 312 Seiten,
zahlreiche Abbildungen, DM 48,-.
ISBN 3-931820-01-07.
Namhafte Autoren haben sich zusammengefunden
, um Hermann Brommer eine
wahrhaftig festliche Geburtstagsgabe aus
dem jungen Kunstverlag Josef Fink zu
widmen: Saskia Durian-Ress, Karl Suso
Frank, Johannes Gut, Clemens Jöckle,
Manfred Hermann, Hans H. Hofstätter,
Franz Kern, Bernd Mathias Kremer, Roger
Lehni, Hans Otto Mühleisen, Willi K.
Müller, Hugo Ott, Harald Siebenmorgen,
Wolfgang Stopfel, Dieter Weis, Heinfried
Wischermann und Hans Jakob Wörner.
Besondere Erwähnung verdient, daß es
sich der Freiburger Erzbischof Oskar Sai-
er nicht nehmen ließ, dem Jubilar in einem
Geleitwort für seine Lebensleistung
herzlich zu danken. Brommer habe unsere
Kennnisse beträchtlich erweitert und vertieft
. Er habe bisher unbekannte Zusammenhänge
entdeckt und zahlreiche Künstler
dem Dunkel der Vergessenheit entrissen
. Ohne Brommers Lebensleistung wäre
unser Wissen um die künstlerischen und
religiösen Ursprünge des Oberrheingebietes
wesentlich ärmer.
Wenn im folgenden nur einzelne Beiträge
etwas näher dargestellt werden können, so
soll damit keinerlei Abwertung der übrigen
Forschungsarbeiten verbunden sein.
In einem einleitenden Beitrag würdigt der
Herausgeber Brommers wissenschaftliches
Werk. Roger Lehni und Hugo Ott
machen sich bemerkenswerte Gedanken
über die „Kathedralen am Oberrhein, das
Straßburger und Freiburger Münster".
Lehni weist in seinem Beitrag „Der Erwin
-Mythos vor Goethe" (aus dem Französischen
übersetzt von Hans Jakob Wörner
) nach, daß es Jacob Wimpheling
(1450-1528) war, der den Namen des Erwin
von Steinbach als Erbauer des Straßburger
Münsters in die Literatur brachte.
Eine Inschrift am nördlichen Portal der
Westfassade, die besagte, dieses ruhmreiche
Werk sei am St. Urbanstag des Jahres
1277 durch Erwin begonnen worden, war
der Ausgangspunkt für die Behauptung
des berühmten Humanisten, in welcher
dem Meister die Planung, Ausführung
und Vollendung des Münsters zugeschrieben
wird. Wimphelings Äußerung führte
zu späteren Blüten, die dem Meister Erwin
gegen alle Wahrscheinlichkeit eine
Tätigkeit von fast drei Jahrhunderten zu-
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