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bürg schuf Friedrich Eisenlohr (t 1855),
der Erbauer des neugotischen Ortenberger
Schlosses, die Pläne für die Evangelische
Stadtkirche, die nach seinem Tod in veränderter
Form von Eduard Hermann in
den Jahren 1857-60 ausgeführt und vollendet
wurde. Erst um 1860 wurden die
Erzbischöflichen Bauämter gegründet. Aus
ihren Planungen entstanden die Kirchen
von Mahlberg (Lukas Engesser), Ohlsbach
und Lauf (von Adolf Williard, der sich an
italienische Vorbilder anlehnte).
Der letzten Generation erzbischöflicher
Baumeister vor dem Ersten Weltkrieg
gehören Max Meckel (Hausach), der Tiroler
Raymund Jeblinger (Schuttertal, Lahr-
Dinglingen, Friesenheim) sowie Johannes
Schroth an. Letzterer bereicherte die Or-
tenauer Landschaft um die Kirchen von
Wagshurst, Oberachern, Nordrach, Kappelrodeck
, Offenburg/Hl. Dreifaltigkeit
und Kehl.
„Das Alte ist rasch zerstört. Und der Ort
ist arm, der die Merkmale der eigenen Geschichte
vernichtet!" - Dieses Wort aus
dem 1906 erschienenen „Handbuch der
Architektur" von Cornelius Gurlitt ist für
Bernd Mathias Kremer Motto zu seinem
Aufsatz „Kunst und Kirche im 19. Jahrhundert
". Europa, dessen Karte infolge
der napoleonischen Kriege völlig verändert
wurde, geriet in einen „Strudel der
Desorientierung", in den auch Kirche und
Kunst hineingezogen wurden. Es begann
ein Jahrhundert, das kunstgeschichtlich
den Anschein erweckte, als wolle es die
über 2000 Jahre alte europäische Stilentwicklung
wiederholen. Im Klassizismus
erlebten modernes Griechentum und römische
Baugesinnung eine Renaissance.
Es begann sodann eine Wiederholung in
der abendländischen Kunstgeschichte:
„Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance,
Neobarock und Neorokoko bestimmen bis
ins beginnende 20. Jahrhundert die Entwicklung
und dokumentieren, daß diese
Zeit nicht in der Lage ist, ihre eigene
künstlerische Identität zu finden." Gleichzeitig
machte sich ein weiteres - übrigens
bis in unsere jüngste Vergangenheit spürbares
- Phänomen breit: „Die Unduldsamkeit
gegenüber dem kulturellen Erbe,
das die vorausgegangenen Generationen
hinterlassen haben und die oft kurzlebige
Verabsolutierung einer bestimmten Baugesinnung
, die allerdings schon bald in
den Strudel der nächsten Stilwahl geraten
konnte." Es begann ein „Wegwerfsyn-
drom", dessen Bannstrahl zunächst das
künstlerische Erbe des 18. Jahrhunderts,
insbesondere des Rokoko, treffen sollte.
Im 20. Jahrhundert kam die „Ausräumwelle
" nicht zur Ruhe. „Mit Betroffenheit
müssen wir feststellen, daß [sie] nun ihrerseits
die Kirchen des 19. Jahrhunderts
ergriff. Die Innendekoration und Ausstattung
dieser Gotteshäuser traf ein Kahlschlag
ohnegleichen, der in vielen Fällen
verödete Kirchenräume zurückgelassen
hat. Was der Zweite Weltkrieg uns nicht
entrissen hatte, dessen haben wir uns nun
selbst beraubt." [Ein Beispiel aus Wörners
erwähntem Aufsatz möge für zahlreiche
andere stehen, wenn er in Ortenberg den
Verlust der Altäre und der Kanzel des
Stukkateurs Jodokus Wilhelm beklagt:
„Die Altäre gingen verloren, so daß heute
Marie Ellenrieders Altarbilder isoliert
sind. Die gemalte Gliederung verschwand
unter nivellierender Tünche. Doch kann
diese Verarmung nichts daran ändern, daß
dieser Kirchenraum eine souveräne
Raumschöpfung darstellt."] Kremer hebt
- für den Bereich der katholischen Kirche
- hervor, daß die Ursache dieser barbarischen
Ausräumwelle nicht in der Liturgiereform
des Zweiten Vatikanischen Konzils
zu suchen ist. Er sieht auch heute wiederum
Kunstwerke bedroht, mit denen vor
einer Generation die Kirchen geschmückt
waren und warnt vor einem vorschnellen
Urteil mangels genügendem zeitlichen
Abstand, der uns noch verbietet, ein gerechtes
Urteil über künstlerische Wertigkeiten
zu fällen. Er ruft dazu auf, den
„Kreislauf der Unduldsamkeit im Umgang
mit der Kunst unserer Väter" zu
durchbrechen und beschließt seine Mah-
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