http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0721
Sind keine freien Männer dran,
So will ich protestieren.
Von nun an bis in Ewigkeit
Soll euch der Name zieren:
Solang ihr Protestanten seid,
Müßt ihr auch protestieren.
Und singt die Welt: Der freie Rhein!
So singet: Ach! Ihr Herren, nein!
Der Rhein, der Rhein könnt' freier sein,
Wir müssen protestieren.
Herwegh nahm eine für ihn bezeichnende politische Position ein. Er
schwamm nicht mit auf der Welle aufbrechender nationaler Gefühle gegen
den Expansionsdrang der französischen Regierung. Er stellte das Leitziel
staatsbürgerlicher Freiheit höher als die nationalen Belange. Deshalb wendet
er sich gegen den Tenor des damals noch bekannteren „Rheinliedes"
von Nikolaus Becker, der schon 1840 die Parole vom „Freien deutschen
Rhein" ausgegeben hatte: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen
Rhein".
Im Rückenwind seines gewaltigen literarischen Erfolges trat Herwegh
1842 seine berühmt-berüchtigte Reise durch Deutschland an, auf der er für
die von ihm herauszugebende neue Zeitung werben wollte, den „Deutschen
Boten aus der Schweiz"9. Der Empfang, der ihm von Stadt zu Stadt,
durch Gesangvereine, Turnerbünde und Bürgervereine bereitet wurde, dieser
endlose Gang auf einem mit Blumen bestreuten roten Teppich, hob das
Selbstbewußtsein des Vierundzwanzigjährigen gewaltig. Er bezeugte aber
auch die Stärke der liberalen Gesinnungen, die sich inzwischen im deutschen
Bürgertum ausgebreitet hatten.
Denkwürdig blieb der Empfang Herweghs durch Preußens König Friedrich
Wilhelm IV. im Berliner Schloß, der verwegene Ton, in dem er den König
an seine vaterländischen Pflichten erinnerte und die Abfuhr, die er letztendlich
erfuhr, als Friedrich Wilhelm IV. im voraus den Vertrieb des
„Deutschen Boten aus der Schweiz" in den preußischen Ländern verbot.
Als Herwegh sechs Jahre später, im Frühjahr 1848, in die badische Revolution
eingriff, war sein Name noch gut bekannt, aber sein früher Ruhm
verblaßt. Teile der Presse - die konservative ohnehin - hatten ihm seine
jugendliche Selbstgefälligkeit, die forcierte Marquis-Posa-Haltung vor
Friedrich Wilhelm IV, übel genommen. Kollegen von der literarischen
Zunft hatten ihn um die öffentliche Rolle beneidet und kritisiert. Gewichti-
701
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1998/0721