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Ewald M. Hall
und Fääder, kurz nach Achern reiht sich das ,Wiesel' in diesen Dehnungsvorgang
ein: Wisele im Norden gegen Wiiseli im Süden. Kurz hinter Offenburg
wechselt schun zu scho ,schon', kurz nach Lahr langes verzeele zu
kurzem verzele und erweichtes leje zu lüge ,liegen'. Diese Erweichung von
g zu j, ebenso wie der im ganzen mittleren und nördlichen Schwarzwald
verbreitete Wandel von b zu w, wird als Fränkische Spirantisierung bezeichnet
und erreicht im genannten Zeitwort ,liegen' seine weiteste Ausdehnung
. Die meisten dieser Staffeln ballen sich im mittleren Murgtal südlich
von Forbach zu einem dichten Bündel und ziehen in breiterer Streuung
dann nach Osten weiter. Drei weitere wichtige Linien konzentrieren sich
auf den Raum um Freiburg und somit auf die Trennung von mittlerem und
südlichem Schwarzwald. Es sind dies die /c/j-ac/z-Linie, die fr-vv-Linie und
die k-ch-Lime. Nördlich der erstgenannten Linie spricht man - wie im
Hochdeutschen - abhängig vom vorausgehenden Vokal oder Diphthong
zwei verschiedene ch-Laute. Man unterscheidet z. B. in Furtwangen im
oberen Bregtal nach ä, e, i den vorderen (= palatalen) ich-Laut vom hinteren
(= velaren) ach-Laut, der nach a, o, u gesprochen wird. So hört man in
den Wortpaaren Bach/Büch, ,Bach7,Bäche' und Buuch/Biich ,Bauch7
,Bäuche' jeweils abwechselnd den ach-/ich-Laut. In Titisee-Neustadt kennen
die Mundartsprecher in all diesen Fällen nur den ,kratzenden' ach-
Laut, was den zahlreichen norddeutschen Touristen auch dann noch auffällt
, wenn sich ein Neustädter bemüht, regionale Umgangssprache oder
Hochdeutsch zu sprechen. Hier bildet also das Höllental augenblicklich die
Grenze zwischen dem ich-ach- und reinen ach-Gebiet. Kommen wir zur
zweiten, bereits oben kurz erwähnten b-w- oder Stube-Stuwe-Lmie. Wandert
man von Hofsgrund auf dem Schauinsland über Oberried ins Dreisamtal
, so hört man auf dem Berg in Hofsgrund Wörter wie ,Stube', ,Gar-
be' und ,Kälber' noch mit einem deutlichen fr-Laut, während die Bewohner
im Tal von Oberried diesen Verschlußlaut b zu einem Reibelaut w erweichen
, also Stuuwe, Garwe und Kälwer sagen. Diese Linie verläuft auf weiten
Strecken parallel zur k-ch-Linie (siehe oben), was zur Schlußfolgerung
führen kann, daß dieser wichtige fränkische Lautwandel an der konservativeren
Kind-Chind-lAme zum Halten kam. Als letzte bedeutende Rheinstaffel
treffen wir nach Müllheim auf die sogenannte Entrundungslinie, die
sich wiederum quer durch den südlichen Schwarzwald zieht. Im südlichen
Hochschwarzwald werden Wörter wie ,Schlüssel' und ,Vögel' wie in mittelhochdeutscher
Zeit noch als ,Schlüssel' und ,Vöögel' ausgesprochen,
während sie nördlich dieser sogenannten Entrundungslinie - wie fast in
ganz Süddeutschland - als Schiissel und Veegel zu hören sind. Alle diese
besprochenen Rheinstaffeln und deren weiterer Verlauf im Schwarzwald
lassen sich im „Kleinen Dialektatlas" auf den Karten 80, 84, 31 und 38
nachschauen. Sie gehen im Westen im Elsaß auf gleicher Höhe weiter oder
tauchen rheinaufwärts verschoben wieder auf und setzen sich im Osten
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