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Die Fastnachtsvergnügungen des Herzogs von Enghien
im Exil1
Florence de Baudus
In Chantilly, dem prächtigen von Park und Wäldern umgebenen Schloß der
Prinzen von Conde, kommt am 2. August 1772 der Herzog von
Enghien,2 Sohn des Herzogs von Bourbon und Enkel des Prinzen von
Conde zur Welt. Der kleine Prinz verbringt die meiste Zeit seiner Kindheit
in Chantilly, wo er in der Liebe zur Jagd und zu Pferden erzogen wird und
in einer Welt unvergeßlicher Feste aufwächst, die sein Großvater dort veranstaltet
.
Er ist umgeben von der prunkvollen Atmosphäre festlicher Essen und
Bälle, fürstlicher Gewänder und großartiger Feuerwerksdarbietungen, von
Orchestermusik und überschäumenden Blumenarrangements, die sogar die
vornehmen und bezaubernden Gäste, wie den König von Schweden, Kaiser
Joseph II., den Bruder der Königin Marie-Antoinette oder den Großherzog
Paul, den künftigen Zaren von Rußland, in Staunen versetzen. Wie sollte er
dies alles vergessen? Am 17. Juli 1789, drei Tage nach dem Sturm auf die
Bastille, muß sich der junge Prinz mit seinem Großvater und seinem Vater
ins Exil begeben.
Fastnacht 1790: Er wohnt mit seiner Familie in Turin am Hof von
König Viktor-Amadeus. Trotz Fastenzeit, die er trübselig findet, schreibt
er: „Keine Schauspiele, nicht einmal Marionettentheater; keine Tanzveranstaltungen
, jedermann bleibt zu Hause, um zu beten oder wenigstens
so zu tun." Ihm liegt mehr an der fröhlichen Ausgelassenheit der Fastnachtstage
.
Am Fastnachtssonntag, dem 14. Februar, speisen die drei Condes beim
Prinzen Marsico, dem Gesandten von Neapel. Um halb vier begeben sie
sich zu Madame Gherardini, der Frau des kaiserlichen Gesandten, die am
Platz zum Heiligen Karl wohnt und die sie in ihr Haus eingeladen hat, damit
sie so das Schauspiel des Fastnachtsumzuges des Hofes sehen können,
der üblicherweise während der drei Fastnachtstage durch die Stadt führt:
der König und die Prinzen der königlichen Familie, voran die Dienerschaft
, danach die Prinzessinnen, deren Gefolge ebenfalls vorausging,
während die Hofdamen nachfolgten. Sie nehmen alle in ältlichen aber sehr
prunkvollen Karossen Platz. Einer der Diener, der zu Fuß ist, trägt vor den
Pferden einen mit Stickereien und vergoldeten Quasten geschmückten karmesinroten
Sonnenschirm. Die ganze Stadt folgt dem Fastnachtszug in
Kutschen, von denen mindestens sechshundert teilnehmen. Der ganze Umzug
dauert ungefähr zwei Stunden. Danach begeben sich alle zur Oper. Am
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