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Carl Sandhaas als Ortsarmer im Haslacher Spital
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scheinung. Aus seinem schönen, von langen graumelierten Haaren umrahmten
Kopf leuchteten ein Paar geistvolle dunkle Augen. All seine Bewegungen
waren voller Elastizität und natürlicher Grazie; der Ton seiner
Stimme war sonorer, sympathischer Brustton. Aber das Gelaß, in dem er
hauste, und alles, was ihn umgab oder vielmehr nicht umgab, war wenig
tröstlich. Nirgends die geringste Andeutung von einer, wenn auch nur vergangenen
künstlerischen Tätigkeit oder sonst einem geistigen Bedürfnis:
kein Buch, kein Blatt Papier... Sandhaas klagte über die Vereinsamung seines
Herzens, daß keine Seele um ihn sei, die ihn verstehe und daß seine
schönsten Empfindungen dem Hohn und dem Unverstand seiner Umgebung
anheimfalle..."
Allgeyer fand es beschämend, wie die Haslacher Bürger Sandhaas behandelten
. Er bezweifelte, ob der begabte Maler wirklich „närrisch" und
verrückt sei, wie ihn seine Umwelt einschätzte.23 Er zitierte in seinen Aufzeichnungen
Sandhaas mit folgenden Worten: „Nicht ich, sondern die
Haslacher sind jetzt Narren geworden; meine Narrheit liegt gegenwärtig
lediglich in dem zerrütteten Zustand meines Geldbeutels, sonst würde ich
dem Neste einen Namen verschaffen und es der Vergessenheit entreißen ... "
Er sei, so schrieb Allgeyer, wehmütig von dem unglücklichen Maler geschieden
und habe die deutliche Erkenntnis gewonnen, daß Sandhaas „eine
grenzenlos vereinsamte, aber durchaus vornehme Künstlernatur" sei, die
„ein Bild und Beispiel echter moderner Tragik" darstelle. Zum Schutz vor
der lästigen, weil im Grunde doch immer teilnahmslosen Zudringlichkeit
der Welt habe sich Sandhaas in völlige Stummheit gehüllt. Er sei am Unverständnis
seiner Umwelt, an den allgemeinen Zuständen seiner Zeit als
Künstler zugrunde gegangen.24 Solche Beobachtungen offenbaren ein tiefes
psychologisches Einfühlungsvermögen und soziales Verständnis in die
ausweglose Lage des unglücklichen Künstlers - Erkenntnisse, die durch
die moderne Sandhaasforschung bestätigt werden.25
Reflexionen in den „ Spitalblättern "
Über sein erbärmliches Leben im Haslacher Spital hat Carl Sandhaas Aufzeichnungen
hinterlassen. Er nannte sie „Spitalblätter", manchmal auch
„Spitalzeitung". Etwa 80 dieser „Spitalblätter" sind noch vorhanden und
werden in der ständigen Sandhaas-Ausstellung im „Freihof" in Haslach
aufbewahrt. In diesen Aufzeichnungen hat er sich mit seinem Leben und
seiner Umwelt, vor allem mit dem Unverständnis der Haslacher für ihn als
Künstler, auseinandergesetzt.
Carl Sandhaas litt sehr unter den weiblichen Spitalarmen, die ihm das
Leben verbitterten.26 Einige von ihnen halfen in der Küche und brachten
das Essen den Spitalbewohnern auf ihr Zimmer. Carl Sandhaas stellten sie
es aber in der Regel vor die Tür. Manchmal urinierten sie sogar über sein
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