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Johannes Werner
„Ihr, die Ihr seid mit uns verwandt,
Gebt uns zum letztenmal die Hand!
Wir sehen Euch jetzt nimmermehr,
Doch, Freunde, weinet nicht so sehr! Adje, Adje, Adje!"18
Der alte Oberlehrer hielt eine Rede, die mit den Worten schloß: „Wir alle,
die wir an dieser schönen Abschiedsfeier teilgenommen, wollen diesen
Jüngling mit den besten Wünschen in die neue Welt begleiten. Möge er leben
in Gesundheit und Frieden, bis wir uns wiedersehen, wenn nicht hier
auf Erden, dann doch ganz gewiß bei der ewigen Friedensfeier!"19
... unterwegs...
Und dann ging's zu Fuß nach Renchen und weiter mit der Bahn über
Straßburg und Paris nach Le Havre, wo der Dampfer ,Paraguay' vor Anker
lag. Wie alles andere hat Rath auch ihn genau beschrieben; zumal das Zwischendeck
, in dem die Auswanderer wenig Raum und noch weniger Ruhe
fanden, „wenn sich das Schiff wie eine Wiege nach beiden Seiten hin- und
herneigte. Dann flogen die Koffer, die nicht angebunden waren, von einer
Seite auf die andere, und niemand konnte schlafen, teils weil man sich im
Lager mit beiden Händen festhalten mußte, teils, weil man bei den besten
Schlafaussichten wieder durch das Gepolter der Koffer aufgeweckt worden
wäre. Wenn wir bei solchem Wetter neben der Treppe auf einem befestigten
Koffer saßen, uns an der Schlafstelle festhielten und durch unser Licht-
und Luftloch hinaufschauten, konnten wir die hochgehende See sehen.
Wenn aber manchmal der Gischt durch unser Fenster hereindrang, wurde
das Luftloch von oben zugedeckt und wir lagen wie Heringe in einem
Faß".20 Immerhin kam man, nach nur achtzehntägiger Fahrt, am 20. September
1869 in New York an.
... und dortzuland
Eine solche Stadt hatten die Ankömmlinge noch nie gesehen, ja nicht einmal
für möglich gehalten; und umso rascher fand sich Rath mit seinen beiden
Gefährten in der Wirtschaft des alten Hodapp ein, der sich als „Heimatsvater
aller Ulmer in New York und Umgegend"21 betrachtete. (Wieder,
und weiterhin, notiert Rath jeden Schritt, jedes Wort, jede Einzelheit.) Dagegen
war der Bruder, als er endlich erschien, nicht besonders hilfreich; er
hatte Hals über Kopf eine ältere Frau mit drei Kindern geheiratet und somit
andere Sorgen. Rath war froh, als er, nach nur wenigen Tagen, bei einem
deutschen Bäcker als Gehilfe unterkommen konnte - auch wenn er wieder
Brot austragen mußte; dazu diente „ein 3 Fuß hoher, 1 lh Fuß weiter Korb
mit zwei Handhaben an den Seiten",22 der 40 Laibe enthielt.
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