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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
81. Jahresband.2001
Seite: 637
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Reise in ein fremdes Land

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und die Kleider gelangen mit dem Schiff meist im August dorthin, weil im
Winter das Wasser zwischen dem Festland und der Insel gefroren war.
Nach der geplanten Wirtschaft brach alles zusammen. Es wurden nur noch
halb so viel der Versorgungsnachkommen geliefert. Nach kurzer Zeit brach
auf der Insel Hungersnot aus. Bis man in einem Laden einen Liter Milch
bekommen konnte, mußte man den ganzen Tag in einer Schlange stehen,
bis man dran kam. Viele Heiz- und Elektrizitätsbetriebe gingen zu Grunde,
die Heizung schaltete man ab und manchmal gab es den ganzen Tag keinen
Strom. Im Winter gingen manche Leute aus ihren Wohnungen und machten
ein Lagerfeuer um sich zu wärmen. Wir hatten nur zwei Wege zum
Überlegen: zu meinen Großeltern in Rußland in Sibirien oder zu meinen
Großeltern nach Deutschland umzuziehen. Wir haben uns für Deutschland
entschieden, weil die Krise auch schon auf dem Festland war, nur nicht
ganz so schlimm wie bei uns auf unserer Insel. Außerdem hörten wir immer
wieder, daß Deutschland ein Paradies sei. Diese Vorstellung änderte
sich schnell nach der Umsiedlung, weil wir viele Probleme bekamen. Aber
davon erzähle ich später.

Finanzielle Probleme

Unser Opa Peter Koop schickte uns eine Anforderung. Mit dieser Anforderung
bekamen wir im Rathaus die Reisepässe. Um die Visa zu beantragen,
mußte mein Vater nach Moskau zur Deutschen Botschaft. Als unser Vater
wieder nach Hause kam, mußten wir uns beeilen, weil nach zwei Monaten
das Visum abläuft. Für unsere Umsiedlung brauchten wir viel Geld. Um
diesen Betrag zu verdienen, mußten wir viel tun. Das Ziel war Moskau.
Wenn wir bis Moskau kommen, wird der Rest der Reise nach Deutschland
von unserer neuen Heimat aus bezahlt. Wir verkauften alles, was wir hatten
: unsere Wohnung, das Grundstück, das wir vor ein paar Monaten gekauft
hatten, die Garage, die Möbel und alles was in der Wohnung war.
Nach einiger Zeit hatten wir eine Summe in Rubeln, die für die Umsiedlung
reichte, und sogar ein bißchen mehr. Den Rest des Geldes haben wir
umgetauscht. Wir hatten gerade 1000 DM. In Rußland war es sehr viel
Geld. Jetzt weiß ich, daß für 1000 DM man nur ganz sparsam einen Monat
die Familie zu ernähren oder die Monatsmiete bezahlen kann. Aber dann
fühlten wir uns sehr reich.

Umsiedlung

Endlich war es so weit, wir fuhren nach Deutschland. Wir hatten viel zu
viel vom Gepäck dabei. Ich kann mich nicht genau erinnern. Aber da
waren die Koffer und Köfferchen, die Taschen und Täschchen. Meine
Mutter versuchte alles mitzunehmen, was uns in der ersten Zeit gebräuch-


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