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Reise in ein fremdes Land
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und einen Topf aus. Nach der Reise waren wir hungrig, aber es gab kein
kostenloses Essen, sogar auch den Hagebuttentee nicht mehr. Wir gingen
einkaufen. Das erste Geschäft, das wir in Zell besuchten, war der Neukauf.
Meine Eltern und ich verstanden nicht viel von der deutschen Sprache.
Meine Mutter nahm immer ein kleines Wörterbuch mit. Der erste Einkauf
dauerte mindestens zwei Stunden, bis meine Eltern endlich alles fanden,
was sie brauchten. Und ich träumte davon, daß meine Eltern genau so
schnell sein würden wie die anderen. Bei denen war der Einkaufswagen
schnell voll und sie blieben nicht vor jedem Regal eine Ewigkeit stehen. In
der ersten Zeit hatte ich Angst, daß ich hier in Deutschland keine Freunde
finde. Doch als ich da ankam, fand ich viele Freunde, die aus dem selben
Land kamen. Es gab Probleme wegen der Schule, in welche Klasse ich gehen
sollte. Die Lehrer entschieden, daß ich die dritte Klasse wiederholen
mußte, um die deutsche Sprache schneller erlernen zu können. Die erste
Zeit war es sehr schwer, mich mit meinen Mitschülern verständigen zu
können. Mit meinen Schulfreunden versuchte ich immer deutsch zu sprechen
, aber es klappte nicht immer. Einige Zeit später verstand ich, was die
einzelnen Leute sprechen. Meine Eltern gingen zu den Sprachkursen in
Offenburg. Sie sind beide Bauingenieure. Aber wegen der schwachen
Deutschkenntnisse war es schwer für meine Eltern, einen Job zu finden.
Nach dem Abschluß der Sprachkurse fand mein Vater einen Arbeitsplatz,
aber nur als Maurer in Biberach und meine Mutter als Arbeiterin in
Steinach. Für kleines Geld sollten sie 45 Stunden pro Woche schaffen. Mit
meiner Schwester war ich ziemlich oft allein zu Hause in unserem einzigen
Zimmer. Es gab oft Streit. Wenn ich Freunde mitbrachte, blieb schon kein
Platz für die Freunde meiner Schwester. Als meine Eltern für diese Einzimmerwohnung
660 DM bezahlen mußten, suchten sie eine neue Wohnung
. Zwar ist es nicht so einfach mit kleinen Kindern eine Wohnung zu
finden, trotzdem hatten meine Eltern endlich Glück. Sie fanden eine
3 Zimmerwohnung in Zell. Mit meinen Eltern ging ich immer spazieren,
damit ich Zell besser kennen lernen konnte. Zell ist zwar eine kleine Stadt,
aber dafür sehr interessant, das bemerkte ich erst spät, denn man schaut
nicht so auf die Einzelheiten.
Die ersten Probleme in der neuen Heimat
Das erste Problem war die Sprache. Zwar sprach mein Vater in der Kindheit
mit seinen Eltern deutsch, doch als er selbständig wurde, hatte er keine
Gelegenheit mehr deutsch zu sprechen, um so seine Sprache verbessern zu
können. Mit der Zeit vergaß er praktisch die deutsche Sprache. Ich und
meine Schwester hörten gar kein deutsch in Rußland. Vor der Umsiedlung
versuchten wir mit der ganzen Familie die deutsche Sprache zu lernen.
Aber das waren nur einzelne Wörter, die wir uns merken konnten. Die er-
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