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Hartimtt Stüwe
tholiken angeordnet noch gefertigt worden und somit liegt deren monströse
Gestaltung ganz, außer unserer Verschuldung. Dann warf er den Protestanten
selbst Verstöße gegen den Nutzungsvertrag vor: Übrigens geschah ja
auch schon protestantischerseits - wenn man gar so empfindlicher, reizbarer
Natur alles abwägen will - Mißachtung des paritätischen Verhältnisses
. Ganze Wochen lang lag der Teppich über ihrer Mensa. Und ihre Psalmen
Nummern an der kahlen Wand durften ungestört schon öfter unseren
katholischen Gottesdienst durchmachen. Soviel wir wissen, sind das doch
auch Geräte und somit im 4. Artikel des Vertrages begriffen. Hauschel
brachte auch einen Fall der Selbsthilfe von protestantischer Seite zur Sprache
. Zum Fronleichnamsfest hatte die katholische Gemeinde das Innere
der Kirche mit Girlanden und Sträuchern geschmückt, welche am darauffolgenden
Sonntag das Geschick hatten, das Mißfallen des evangelischen
Herrn Pfarrer der Art zu erregen, daß solche in vielleicht diesmal vollzähliger
Anwesenheit seiner Kirchspielgemeinde - unbarmherzig - durch die
evangelische Schuljugend, wie man sagt, unter wirbelnden Staubwolken
aus den heiligen Mauern hinausgeschafft werden mußten.
Als die Tumba weiterhin nach den katholischen Gottesdiensten nicht
entfernt und den wiederholten Beschwerden der Protestanten von Seiten
der Katholiken kein Gehör geschenkt wurde, schaltete sich der Evangelische
Oberkirchenrat ein. Als übergeordnete Behörde im Innenministerium
beauftragte er das Bezirksamt Kork als Polizeibehörde, geeignete Maßnahmen
zu treffen, damit durch Entfernung der Tumba der fragliche Mißstand
beseitigt wird, da Reibungen in der Gemeinde zu befürchten wären. Zu
dem Polizeieinsatz ist es glücklicherweise nicht gekommen. Die „anstößige
" Tumba wurde bald darauf durch eine zerlegbare ersetzt, die nach dem
Gottesdienst in der katholischen Sakristei untergebracht werden konnte.83
1906 kam es zu einer letzten Auseinandersetzung über die Frage der Parität
in der Benutzung der Simultankirche. Eine Frage, die wahrscheinlich
nur durch einen Rechtsstreit hätte gelöst werden können, den aber beide
Seiten vermeiden wollten. Es ging wiederum um den Artikel 4 des Simultanvertrages
von 1837. Die katholische Gemeinde wollte eine Herz-Jesu-
Statue dauerhaft in der Simultankirche aufstellen. Auch in dieser Auseinandersetzung
bezog die katholische Seite wieder den Standpunkt, ihre
1793 zerstörte Kirche in der Festung sei eine Pfarrkirche gewesen, als deren
Ersatz 1817 die Notkirche erstellt und dann 1847 bis 1850 die neue Simultankirche
gebaut worden seien, deren Mitgebrauch den Protestanten jeweils
nur zugestanden worden sei. Aus dieser Sicht leiteten die Katholiken
auch jetzt das Vorrecht ab, die Statue dauerhaft aufstellen zu dürfen. Die
Protestanten pochten wie bisher auf gleiche Rechte. Sie vertraten den
Standpunkt, die katholische Kirche in der Festung sei eine Garnisonskirche
gewesen, aus der sich keine Besitz- und Ersatzansprüche für die Kirche ableiten
ließen. Folglich seien die späteren Kirchen für beide Konfessionen
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