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150 Jahre Friedenskirche Kehl
195
phase der Kirche von 1847 bis 1850 erlebte Kehl im Verlauf der Badischen
Revolution sowohl den politischen Durchbruch der demokratischen Bewegung
als auch ihren Zusammenbruch. Ab den 1860er Jahren begann verstärkt
die industrielle Ansiedlung mit der Anbindung an internationale Verkehrsnetze
mit dem Bau der Eisenbahnbrücke über den Rhein, unterbrochen
vom Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Folgen der Weltkriege
1914-1918 und 1939-1945 waren wie überall Dezimierung der Bevölkerung
, Zerstörungen der Stadt, Besetzungen, drohende Annexion und langjährige
Evakuierung.
Drei Kriege hat die Friedenskirche überstanden. Die gegenseitige Beschießung
Kehls und Straßburgs durch französisches und deutsches Militär
im August 1870 verursachte schwere Zerstörungen in beiden Städten. Die
damalige Simultankirche inmitten der in Trümmern liegenden Altstadt war
relativ wenig beschädigt und wurde mit einem Kostenaufwand von etwa
1.500 Gulden repariert. Die wesentlich höhere Kriegsentschädigung von
5.361 Gulden, die die kirchlichen Behörden erhielten, wurde für eine
Innenrestauration verwendet, der größere Rest dem gemeinschaftlichen
Kirchenbaufonds zugeschlagen. Im Ersten Weltkrieg blieb Kehl von
Kampfhandlungen verschont. Schwer zugesetzt hat der Bevölkerung und
der Stadt allerdings die von 1919 bis 1930 andauernde Besetzung der Stadt
durch französisches Militär, die Kehl in eine wirtschaftliche Notlage brachte
. Notwendige Erhaltungsmaßnahmen und Reparaturen am Äußeren und
im Innern der Kirche mussten wegen Geldmangels aufgeschoben werden
und summierten sich 1931 nach einem Kostenvoranschlag auf 54.000
Reichsmark.88
Von Machtergreifung und Gleichschaltung im Dritten Reich blieben
auch die Kirchen und ihre Gemeinden nicht verschont. Die nationalsozialistischen
Machthaber schickten ihre Spitzel in die Gottesdienste, um
„Miesmacher" unter den Pfarrern und Gemeindemitgliedern auszuspionieren
. Mit der zweiten Evakuierung der Kehler Bevölkerung am 23. November
1944 und der Besetzung der Stadt am 15. April 1945 durch französisches
Militär und Zivilbevölkerung begann die sieben Jahre dauernde Verödung
der Friedenskirche. Bei der 23. Teilfreigabe von insgesamt 42 Teilschritten
zur Rückgabe Kehls zwischen 1949 und 1953 wurde am 31. Dezember
1951 auch die Friedenskirche zurückgegeben. Bestandsaufnahmen
ergaben große Schäden am Gebäude und an der Inneneinrichtung. Granateinschläge
im Schiff von der Beschießung im November 1944 hatten starke
Verwüstungen angerichtet und Regeneintritt in das Dachgestühl ermöglicht
. Durch Schäden am schiefergedeckten Turm waren der Turmdach-
und Glockenstuhl jahrelang schutzlos der Witterung ausgesetzt, durch
morsch gewordenes Holz bestand Einsturzgefahr. Die stark mitgenommene
Orgel konnte nicht mehr repariert werden. Die großen Kirchenfenster mit
Glasmosaikarbeit waren während der Besatzungszeit mutwillig zerstört
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