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Angelika Sttiwe
Dieser düsteren Interpretation sei Pfarrer Bernauers positive Betrachtungsweise
gegenübergestellt: „Maria steht zwischen zwei Säulen. ,Die
aus Gott geboren sind, sind die Säulen der Welt und die Pfeiler der Kirche
', hat der oberrheinische Mystiker Johannes Tauler gesagt. Die angefangene
Wand über der einen Säule wartet darauf, dass daran weitergebaut
wird. "8
Die Rückseite der Tafel ist in zwei Felder unterteilt und zeigt drei Heilige
: im oberen Feld den heiligen Christophorus, unten stehen sich zwei Jünger
Jesu gegenüber. Der bärtige Riese Christophorus, auf einen knorrigen
Ast gestützt, watet mit dem Jesuskind auf seinen Schultern durch einen
Fluss. Die beiden Jünger Jesu sind in Aposteltracht dargestellt: in bis zu den
Füßen reichenden Gewändern, ohne Kopfbedeckung und barfuß. Der bärtige
Apostel stellt, mit Pilgerstab und Pilgertasche, Jakobus den Älteren dar. Einer
Legende nach wurde sein Leichnam in einem ruderlosen Boot an die
Küste Spaniens gespült und im 9. Jahrhundert über seinem Grab eine Kirche
errichtet - Santiago de Compostela -, vom 10. bis 15. Jahrhundert neben
Rom und Jerusalem die bedeutendste Wallfahrtsstätte des Christentums.
Der jüngere bartlose Apostel ist nicht eindeutig gekennzeichnet. Es soll
Philippus sein, der fünfte Jünger Jesu, der der Legende nach von Heiden
gekreuzigt und am Kreuz gesteinigt wurde. Auf sein Martyrium weist der
Palmenzweig in seiner linken Hand hin, ein generelles Attribut der Märtyrer
als „Hinweis auf den von ihnen im Kampf um den Glauben durch ihren
Martertod davongetragenen Sieg".9
„Die Anbetung der Heiligen Drei Könige"
Die Huldigung der drei Weisen aus dem Morgenland war in der Malerei
des Mittelalters und der Renaissance ein beliebtes Motiv und wurde oft mit
der Geburt Christi gekoppelt. Hier bringen zwei Könige, selber mit kostbaren
braunen Gewändern bekleidet (Braun als „Sinnbild der Demut"10),
dem Christkind ihre Gaben in goldenen Gefäßen dar: Goldmünzen in einem
goldenen Kästchen und einen goldenen Kelch, in dem sich Weihrauch
oder Myrrhe befinden mag. Sie haben ihre Kronen abgenommen als Zeichen
ihres Verzichts auf ihre weltliche Macht. Der älteste König" kniet
vor dem Kind, das auf einer Windel auf Marias Schoß sitzt und das wertvolle
Geschenk entgegennimmt. Der dunkelhäutige König, in weißen
Strumpfhosen, kurzem Rock und turbanähnlicher Kopfbedeckung, wartet
stehend. Sein Blick schweift von dem Geschehen ab. Der dritte, vollbärtige
Mann mittleren Alters hingegen beobachtet die Geschenkübergabe mit gekreuzten
Händen. Er scheint weder eine Krone noch ein Geschenk zu besitzen
. Auch hebt sich sein grünes, ornamentloses Gewand deutlich von
den Gewändern der beiden anderen ab. Könnte es sich hier um Joseph han-
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